Neues vom rechten Rand

Zur AfD-Veranstaltung am 9. Februar in Ulm

Danke für den Text geht an: „Antifa-Referat Tübingen“

Weitere Infos auf der extra dafür eingerichteten Website: „http://fluegel-stutzen.info/“

Am 9. Februar 2019 laden Teile der AfD ins Bürgerzentrum Eselsberg Ulm (Virchowstr. 4, 89075 Ulm). Genau genommen handelt es sich um einen Personenkreis, der bereits durch den „Stuttgarter Aufruf“ an die Öffentlichkeit getreten sind. Angekündigt sind Jessica Bießmann, Christiane Christen, Stefan Räpple und Doris von Sayn-Wittgenstein; die Veranstaltung steht unter der „Schirmherrschaft“ von Christina Baum, begrüßen wird Eugen Ciresa, die Moderation übernimmt Jürgen Elsässer. Auffällig ist, dass auf dem Einladungsplakat kein AfD-Logo zu sehen ist; die Anmeldung läuft über die GMX-Mailadresse des „Stuttgarter Aufrufs“. Was hat es mit diesem Aufruf auf sich? Wer sind diese Leute? Und wie ist diese Veranstaltung in die aktuellen innerparteilichen Entwicklungen innerhalb der rassistischen AfD einzuordnen? Diesen Fragen wollen wir im Folgenden nachgehen.

Der Stuttgarter Aufruf

Mit dem „Stuttgarter Aufruf“ beklagten am 28. Oktober 2018 die angeblich zunehmende Zahl an Parteiausschlussverfahren. Diese wurden als „parteischädliche Mechanismen“ und „Denk- und Sprechverbote“ bezeichnet.

Zu den „Erstunterzeichnern“ zählt allein die halbe AfD-Fraktion im Landtag Baden-Württmberg, namentlich Christina Baum, Hans Peter Stauch, Emil Sänze, Stefan Räpple, Rainer Podeswa, Carola Wolle, Rüdiger Klos, Heiner Herz, Bernd Grimmer und Thomas Axel Palka, außerdem auch einige andere AfD-Abgeordnete in anderen Landtagen und dem Bundestag. Auch Christiane Christen und Eugen Ciresa, die auf der Veranstaltung am 8. Februar in Ulm auftreten werden, unterzeichneten den Aufruf.

Um den Umgang mit den von Ausschluss betroffenen entbrannte auch ein Streit in der völkisch-nationalistischen AfD-Gruppierung „Der Flügel“. André Poggenburg, Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, hatte nach seiner rassistische Rede vom politischen Aschermittwoch 2018 (in der er Türken als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ bezeichnet hatte), seine Parteiämter niedergelegt. Auch im „Flügel“, in dem er zeitweise als zweiter Mann hinter Höcke galt, verlor er im Laufe des Jahres mehr und mehr an Rückhalt. [1]

In einer neuen Gruppierung namens „AfD – Die Nationalkonservativen“ scharte er in der Folge Interessierte um sich.

Am 7. Dezember postete André Poggenburg auf Facebook unter dem Logo „Alternative für Deutschland – Die Nationalkonservativen“ ein Foto, das „patriotische Frauen“ umwirbt, die von Partei- und/oder Fraktionsausschlüssen betroffen oder bedroht sind oder waren. Es waren dies:

– Jessica Biessmann, die vor Weinflaschen mit Hitler-Etiketten posiert hatte und nach Bekanntwerden aus der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus ausgeschlossen wurde.

– Christiane Christen – die ehemalige Vize-Chefin der AfD Rheinland-Pfalz und Mitgründerin der Gruppe „Kandel ist überall“, die wegen Zusammenarbeit mit dem ehemaligen NPD-Funktionär Sascha Wagner von einem Parteiausschlussverfahren betroffen ist.

– Doris von Sayn-Wittgenstein, die nach Bekanntwerden ihres Engagements für den ultrarechten geschichtsfälschenden Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ im thüringischem Guthmannshausen aus der AfD-Fraktion in Schleswig-Holstein ausgeschlossen wurde und gegen die ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet wurde.

Brisant: alle drei treten am 9. Februar in Ulm auf. Der rechte, von Ausschluss bedrohte Rand der AfD scheint sich zu organisieren. Die Facebookseite „Die Nationalkonservativen“ bewirbt ebenfalls die Veranstaltung in Ulm.

Offenbar auf Intervention des AfD-Parteivorstands veröffentlichte Poggenburg seine Grafiken bald ohne AfD-Logo und lediglich mit dem Schriftzug „Die Nationalkonservativen“. Am 14. Dezember lud er zu einem ersten Treffen im sächsischen Oelsnitz ein. Dabei anwesend war auch Stefan Räpple, AfD-MdL in Baden-Württemberg und ehemaliger Hypno-Coach, der sich in der Vergangenheit mit den Antisemiten Wolfgang Gedeon solidarisiert und selbst die Zahl der Todesopfer der Shoah angezweifelt hatte. Dabei trug Räpple eine blaue Kornblume am Revers, das Kennzeichen der völkisch-antisemitischen Alldeutschen im Kaiserreich und vor 1938 der damals in Österreich illegalen Nationalsozialisten. [2] Auch gegen Räpple läuft inzwischen ein Parteiausschlussverfahren, nachdem Räpple während einer Landtagssitzung einen Polizeieinsatz auslöste, da er nicht freiwillig den Saal verlassen hatte. [3]

André Poggenburg hat inzwischen die AfD verlassen und die Partei „Aufbruch deutscher Patrioten – Mitteldeutschland“ gegründet. Ihr Logo ist eine blaue Kornblume – ein offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus –, zentrales Anliegen die Distanzlosigkeit zu rassistischen Initiativen wie „Pegida“, den „Identitären“, oder „Pro Chemnitz“. Letztere war zwar auch in der AfD gängige Praxis, auf dem Papier existierten jedoch Distanzierungsbeschlüsse. Mit dem Austritt und der Neugründung kam Poggenburg dem Parteiausschluss somit zuvor. [4]

Poggenburg ist zwar nicht für die Veranstaltung in Ulm angekündigt, doch zeigt sich, dass alle dort Auftretenden in Ausschlussverfahren stecken und vor dem Schritt stehen könnten, den Poggenburg bereits vollzogen hat. Darum diskutieren sie in Ulm „die Zukunft Deutschlands und unserer Partei“, wie es auf dem Ankündigungsplakat heißt.
Die Austritte und Ausschlussverfahren bedeuten allerdings nicht, dass die verbliebene AfD unproblematisch wäre. Ganz im Gegenteil: in ihren Reihen tummeln sich auch weiterhin Personen, die rassistische, antisemitische, sexistische und andere menschenfeindliche Positionen verbreiten.

Auch einige AfD-Mitglieder, die bislang nicht von Ordnungsmaßnahmen betroffen waren, werden in Ulm auftreten. Darunter ist Christina Baum, Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg und Mitbegründerin der Gruppe „Kandel ist überall“, die Verbrechen für rassistische Propaganda instrumentalisiert. Baum solidarisiert sich mit ihrem Fraktionskollegen Räpple. Auch Eugen Ciresa aus Ulm, der hier bei der Bundestagswahl antrat, ist weiterhin AfD-Mitglied. Der rechte Hardliner, der zuvor bei „Pegida Baden-Württemberg“ aktiv war, versuchte schon mehrfach, die AfD nach noch weiter rechts zu lenken: er unterstütze die „Erfurter Resolution“, die „Patriotische Plattform“, die „Frankfurter Erklärung“ und zuletzt den oben genannten „Stuttgarter Aufruf“.

Bießmann, Christen, Räpple, Sayn-Wittgenstein, Baum – rechtsaußen in der AfD gärt es. Neue Bündnisse entstehen, und die Veranstaltung in Ulm wird ein zentrales Treffen ihrer führenden Köpfe sein. Dass Jürgen Elsässer, Chefredakteur des verschwörungstheoretisch-rassistischen Compact-Magazins, das ganze moderieren wird, wirkt angesichts der Auftretenden nur folgerichtig. Am 29.01 wurde bekannt, dass die AfD klagt um in die Räumlichkeiten der Stadt die Veranstaltung durchzuführen. Vermutlich wird das Verwaltungsgericht erst kurz vor dem 9. Februar eine Entscheidung dazu treffen.[5]

Falls die Veranstaltung in städtischen Räumlichkeiten stattfinden würde, wäre das skandalös. Unabhängig davon ist auszugehen, dass nach einem zweiten Veranstaltungsort bereits gesucht wird.

Darum heißt es am 9. Februar in Ulm, egal ob am Eselsberg oder woanders: rechter Hetze keinen Raum! Lasst uns gemeinsam und entschlossen aktiv werden gegen rassistische Hetze und für ein solidarisches Miteinander!

[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-und-andre-poggenburg-der-fruehere-gefaehrte-von-bjoern-hoecke-stuerzt-ab-a-1247205.html
[2] http://keinealternative.blogsport.de/2018/12/26/streit-um-und-mit-afd-landtagsabgeordneten-stefan-raepple/
[3] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nach-tumult-im-stuttgarter-landtag-afd-will-abgeordneten-raepple-aus-der-partei-werfen.680e873f-4315-482b-b221-950c204a58f5.html
[4] https://www.fr.de/politik/poggenburg-erklaert-austritt-afd-fraktion-11440809.html
[5] https://www.swp.de/suedwesten/staedte/ulm/die-afd-klagt-gegen-die-stadt-29310307.html