Update: Rafael Blumenstock

Im November hatten wir im Rahmen des 30-jährigen Gedenkens einen Offenen Brief mit Forderungen an die Stadt formuliert, nachzulesen hier. Darauf haben wir nach ewigem Warten eine Antwort erhalten. Das ist unsere Reaktion:
 
Nach Monaten des Wartens haben wir nun von der Stadt Ulm eine Antwort auf unsere Forderungen bekommen. Diese werden weitestgehend abgelehnt. Durch die Stadt wird es kein neues Mahnmal geben, keine Einsicht in Ermittlungsakten oder Informationen zu Ermittlungen gegen die rechte Szene und auch keine Einstufung des Mordes als Verdachtsfall rechter Gewalt.
 
Stadt Ulm: „Ob die Tat ein Hassverbrechen gegen einen Menschen aufgrund seiner sexuellen Orientierung war, ist bis heute unbewiesen. Solange das aber nicht vollständig geklärt ist, sollte aus unserer Sicht mit einer Festlegung eher zurückhaltend umgegangen werden.“
Die Stadt scheint, wie schon die Ulmer Polizei, nicht zu verstehen, was eine Einstufung als Verdachtsfall rechter Gewalt/ Gewalt gegen Personen auf Grund von Zuschreibungen bedeutet. Dies wäre ein wichtiges Zeichen und der bisherigen öffentlich bekannten Faktenlage entsprechend. Zum einen ist es wohl sicher, dass es ein Hassverbrechen war, wie in unserem ausführlichen Text aufgezeigt wurde.[1] Zudem gab es Hinweise auf eine rechte Tat. Wie so oft wird das auch in diesem Fall nicht anerkannt. Die Schlussfolgerung aus den NSU-Morden müsste eigentlich sein, dass die bisherigen Hinweise ernstgenommen werden und sowohl öffentlich, als auch Polizeiintern dies so kommuniziert wird. Selbst wenn die Täter nicht gefasst wurden, kann so die wahrscheinlichste Tatmotivation verurteilt werden. Sich darauf zu berufen, dass man noch nichts sicher weiß ist bei einer Einstufung als Verdachtsfall einfach nur lächerlich.
 

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Stadt Ulm interessiert sich nicht für Rafael Blumenstock?

Am 03.11.2020 haben wir nach einer Gedenkkundgebung zum 30 Todestag von Rafael Blumenstock ein symbolisches Mahnmal auf dem Münsterplatz gestellt. Wir wollten damit an Rafael Gedenken und unseren Forderungen nach einem neuen Denkmal Ausdruck verleihen. Mit einer Weiteren Aktion weisen wir jetzt auf die Untätigkeit der Stadt hin.

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Bericht Gedenkveranstaltung Rafael Blumenstock und offener Brief

Die gestrige Veranstaltung in Gedenken an Rafael Blumenstock hat uns sehr berührt. Von den 70 Teilnehmer*innen brachten einige Blumen und Kerzen mit und es gab spontan zwei Beiträge von Zeitzeug*innen. Eine Zeitzeugin ergänzte uns gegenüber, dass Rafael Blumenstock ein außergewöhnlich begabter Musiker war und auf dem Klavier besonders gut improvisierte. Auch sei er ein sprachliches Talent gewesen.

Die Mutter von Rafael äußerte sich im SWR.

Große Teilnahme am Gedenken trotz der Pandemie

Wir brachten Transparente an, die in dieser Form schon 1990 und 1991 von Aktivisti verwendet wurden, um die damals schon klar geäußerten politischen Botschaften wiederzugeben. Continue reading „Bericht Gedenkveranstaltung Rafael Blumenstock und offener Brief“

Rafael Blumenstock; gegen das Vergessen

Am 04.11.20 ist der 30. Jahrestag des Mordes an Rafael Blumenstock. Er wurde brutal auf dem Münsterplatz ermordet von mehreren bis heute unbekannten Tätern. Das Motiv konnte nicht aufgeklärt werden doch es gibt deutliche Hinweise, dass es sich um einen schwulenfeindlichen und rechten Mord handelt. Wir rufen zu einem Gedenken auf:

Am 04.11. um 18 Uhr auf dem Münsterplatz.

Wir wollen neben dem Gedenken auch Forderungen stark machen:

– Ein neues Mahnmal für Rafael Blumenstock. Das alte ist kaum sichtbar und beschädigt. Es steht viel mehr für das Vergessen des Mordes als für eine Mahnung.

– Veröffentlichung von Informationen von damaligen Ermittlung zu Nazistrukturen

– Eine Untersuchung zu personellen und strukturellen Kontinuität (sowohl die Kontinuität von der NS-Zeit bis 1990, sowie 1990 bis jetzt)

– Einstufung des Mordes als Verdachtsfall rechter Gewalt

Doch was hat der Mord mit Nazis zu tun und warum überhaupt dieses Thema derart politisieren?

Rafael Blumenstock wurde getötet weil er anders war.

Rafael schminkte sich gelegentlich, trug „Frauenkleider“, war links und sprach fremde Leute nach dem Namen oder der Telefonnummer an. Viele hielten ihn wohl deswegen für schwul. Doch das heißt auf keinen Fall, dass Rafael Blumenstock auch nur einen Funken an Mitschuld an dem Mord trägt!

Neben der Außenwahrnehmung von Rafael Blumenstock spricht auch der besonders brutale Mord für ein Hassverbrechen und es gab Hinweise auf Nazis am Tatort. Zudem gab es zu der Zeit in Ulm eine große Präsenz von Nazis, sowie viele Gewalttaten, die dokumentiert sind. Auch gab es viele Angriffe auf vermeintlich Schwule in ganz Deutschland sowie in Ulm. Hier herrschte eine schwulenfeindliche Stimmung.

Belege und eine Ausführliche Recherche über die damaligen Verhältnisse finden sich hier: https://kollektiv26.blackblogs.org/2020/10/13/gegen-das-vergessen-der-mord-an-rafael-blumenstock-in-ulm/

Die Forderungen werden gestellt von: Kollektiv.26 – Autonome Gruppe Ulm, Young and Queer Ulm e.V., Jusos Ulm, Grüne Jugend Ulm, Neu-Ulm, Alb-Donau, DIE LINKE Ulm / Alb-Donau, Mein Ich gegen Rassismus

Bitte kommt mit Mund- und Nasenschutz und haltet Abstand. Bitte keine Parteifahnen.

Gegen das Vergessen! Der Mord an Rafael Blumenstock in Ulm

[Archiv Robert Andreasch]
Von Dennis Scott und Robert Andreasch

Vor 30 Jahren, am 4. November 1990, wurde in Ulm der damals 28-jährige Rafael Blumenstock ermordet. Dieser Mord ist bis heute nicht aufgeklärt. Wir halten eine rechte Tatmotivation, z. B. schwulenfeindlichen, antisemitischen und antilinken Hass, für naheliegend. Um an Rafael zu erinnern und um die Aufklärung voranzutreiben, haben wir uns auf eine Spurensuche begeben.

Wer war Rafael Blumenstock?

„Rafael war anders, ungewöhnlich und zwang dadurch alle, die ihn kannten, die die Welt anders (richtig?) zu sehen. Gerade deshalb können ihn seine Freunde nicht vergessen und war er uns [den Eltern] lieb.“ [63]

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