Böhmermann

Ein Kommentar von Oliver Kalkofe:

böhm

‪#‎Böhmermann‬ ‪#‎ExtraDrei‬ ‪#‎Erdogan‬ ‪#‎SatireWahn‬ ‪#‎Staatsaffäre‬ ‪#‎Witznichtverstanden‬ ‪#‎RIP‬
FRAGEN DES TAGES:
Sollte Jan Böhmermann endlich mal ins Gefängnis?
Weil er so abscheulich böse Sachen über den respektablen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gesagt hat?
Weil er statt feinsinniger Satire mit subtilem Sprachwitz einen verbalen Bierschiss voller Fäkalhumor serviert hat?
Weil er es einfach mal verdient hat, der eitle Blödmann?
Und zweite Frage:
War das Gedicht von Böhmermann Satire oder nicht?
Darf man den sympathischen türkischen Obermufti als Ziegenf*ck*r bezeichnen – ohne gesicherte Beweise einer möglichen sexuellen Liaison?
(Um eine weitere Klage oder Facebook-Sperrung zu vermeiden, wurden zwei Buchstaben eines schlimmen Worts der letzten Zeile durch einen * ersetzt. Bitte setzen Sie dort zwei Vokale ihrer Wahl ein, zB das i und das e oder auch ganz was anderes …)
Ist eine solche Aneinanderreihung fieser rassistischer Gemeinheiten Kunst oder einfach ein verbaler Bierschiss?
Okay…
kurz mal dazwischen gerufen:
HALLO!
DAS IST ALLES ABSOLUT SCHEISSEGAL!
Denn diese ganze vollkommen absurde Staatsaffäre um die kleine poetische Verbal-Entgleisung das dünnen blassen Jungen
weitet sich gerade zu einer der bizarrsten, erschreckendsten und für unsere Meinungs- und Redefreiheit auch gefährlichsten Diskussionen seit langem aus.
Eins vorab:
Es ist vollkommen egal, was der einzelne von Böhmermanns Gedicht hält.
Es ist ebenso egal, ob es Satire ist oder nicht.
Denn ja:
es ist bewusst verletzend, böse und qualitativ kein Stabhochsprung.
Sollte es aber auch niemals sein.
Denn die satirische Plattform der ganzen Geschichte war niemals das unsinnigerweise immer wieder rezitierte und vollkommen unwichtige Gedicht,
sondern die Aktion darum herum.
Der Zusammenhang, der in fast sämtlichen Diskussionen darüber komplett verloren gegangen ist.

Und der ging so:
Um die schnaubende Empörung des wütenden Giftzwergs zu kommentieren, die bereits der sehr gelungene Erdogan-Song der Kollegen von Extra 3 ausgelöst hatte –
inklusive der daraus folgenden unverschämten Forderung des stinkbeleidigten Türken-Chefs, die deutsche Politik solle regulierend einschreiten –
legte Böhmermann noch einen drauf und erklärte in der Sendung,
dass freie Meinungsäußerung und Satire bei uns nun einmal sehr wohl erlaubt sein.
Ganz im Gegenteil zu einer böswilligen Schmähkritik, die einfach nur auf Beleidigung aus sei – so wie das daraufhin zitierte Erdogan-Gedicht…
von dem sich Böhmermann danach selbst distanzierte.
Okay, klar –
das war natürlich als Provokation gemeint.
Keine Frage.
Aber nur als Provokation, die einem tobenden Despoten den verbalen Mittelfinger in rechtmäßiger Empörung entgegen streckt und sagt:
‚Hör genau zu, Rumpelstilzchen,
da kannst du noch so sehr mit Schaum vor dem Mund herum wüten, weil du deine vermeintliche kleingeistig-engstirnige Ehre angekratzt wähnst und dich beleidigt fühlst –
wir leben glücklicherweise in einem Land, in dem Humor noch nicht verboten ist und in dem man frei sprechen darf.
Und wenn man es geschickt macht,
kann man dich sogar noch viel mehr ärgern, ohne dich wirklich offensiv zu beleidigen.
Denn das ist der Kern der Satire und der Redefreiheit!
Ha!‘
Blöd nur, dass dies Spiel mit der Meta-Ebene ein wenig zu hoch angesetzt war für die meisten…
die sich nur auf das (leichter emotional verwertbare) Schmähgedicht warfen.
Denn dass ein so billig provokantes Werk mit billigem Fäkalhumor eine zweite Ebene besitzen könnte,
das konnte und wollte sich einfach keiner vorstellen.
Die Reaktion des ZDF und Angela Merkel,
die in Unkenntnis bzw. Unverständnis der kompletten Geschichte in voraus eilendem Gehorsam der möglichen Empörung des zürnenden Muselmanen zuvor kommen wollten,
waren dabei der tödliche Stich ins Herz genau der Satire und Redefreiheit, die sie eigentlich alle vorgaben zu verteidigen.
Denn hier wurde verfrüht und unüberlegt gesagt:
‚Ja, lieber Herr E., persönlicher Retter in der Flüchtlingskrise, Sie haben natürlich ganz Recht:
Satire und Meinungsfreiheit müssen ihre Grenzen haben,
auf die müssen die Politik und die Medien ihren Einfluss nehmen.
Jede Freiheit endet immer dort, wo wir den Witz nicht verstanden haben.
Somit sind wir ja gar nicht mehr so weit voneinander entfernt, oder?
Dürfen es vielleicht ein paar Flüchtlinge mehr sein?
Und wenn es nicht mit dem Eintritt der Türkei in die EU klappt –
dürfen wir vielleicht zu Ihnen? (Zwinkersmiley)‘
Um noch einmal klar zu stellen:
Man muss die Aktion von Böhmermann nicht mögen.
Man darf sie sogar beschissen oder komplett misslungen finden.
Man darf sie aber auch begrüßen und als cleveren Satire-Coup feiern.
Völlig wurscht.
Man darf Böhmermann mögen, nicht mögen, lieben, hassen, er darf einem sogar egal sein.
Man darf das Gedicht lustig, furchtbar, ganz witzig, ekelhaft oder was auch immer finden.
Ehrlich gesagt:
man soll das Gedicht sogar ekelhaft und beleidigend finden –
das war ja immer genau so geplant!
Aber:
man darf Böhmermann deshalb nicht zur Staatsaffäre machen.
Man darf ihn nicht anklagen
oder als Politiker die Möglichkeit eröffnen, dass es überhaupt zu einem Prozess gegen ihn kommt –
denn dies wäre kein Prozess um eine mögliche Beleidigung/ Schmähkritik oder eine Person,
sondern vor Gericht stände das Recht auf Satire und Meinungsfreiheit an sich –
die nämlich dann jederzeit verboten werden könnte, wenn der Adressat eines Scherzes den Witz nicht versteht.
Das ZDF und auch die Regierung darf natürlich sagen,
dass sie den Inhalt des Gedichts verabscheuen und sich davon distanzieren – das Recht hat jeder –
aber sie müssen dennoch sagen,
dass der Zusammenhang zählt und es hier um unser grundsätzliches Recht auf Redefreiheit und Satire geht.
Man kann sich auch für ein mögliches Missverständnis entschuldigen – aber nicht für die Sachlage an sich!
Wie so oft ist es einfach unfassbar,
traurig und so unendlich dumm und nicht durchdacht,
was hier gerade geschieht…
Eigentlich ist es in seiner Absurdität fast schon wieder lustig…
aber darf man darüber lachen,
wenn das Recht auf Satire getötet wird?