Mit der Institution des Privateigentums stehen und fallen alle jene schlechten Eigenschaften des Menschen, welche ihn heute verunzieren. Neid, Mißgunst, Habgier, Herrschsucht usw. haben bei kommunistischen Verhältnissen keinen Sinn, anderseits sind da Brüderlichkeit, Solidaritätsgefühl und Wetteifer im Interesse des Gemeinwohls Selbstverständlichkeiten. Deshalb wird und kann das Leben in der kommunistischen Gesellschaft nur ein völlig ungezwungenes und doch harmonisches sein. Und ein solcher Zustand paßt nicht in den Rahmen eines Staates, sondern nur in den der Anarchie.
Die ganze Staatlerei, wie sie in manchen Kreisen kommunistischer Parteien noch gepflegt wird, ist überhaupt nur auf Denkfaulheit, Herkommens-Schlendrian und Vorurteile zurückzuführen. Zum Teil hervorgegangen aus den Reihen der bürgerlichen Demokratie trägt eben mancher noch die Eierschalen seiner Herkunft mit sich herum und hängt sich an althergebrachte politische Formen. Es ist aber an der Zeit, daß dieselben abgestreift werden. Viele haben sich auch bereits in dieser Hinsicht so weit emanzipiert, daß sie gegen das Wesen des Anarchismus wenig mehr einzuwenden haben, nur das Wort wollen sie noch nicht verschlucken. Die reinste Gespensterfurcht!
Schließlich ist auch hinsichtlich der Taktik der Anarchisten gegenüber anderen Kommunisten eigentlich kein rechter Grund zum Hadern gegeben. Wer immer die heutige Gesellschaft negiert und die Einrichtung eines auf Gütergemeinschaft beruhenden sozialen Verhältnisses erstrebt, ist im Grunde seines Herzens Revolutionär. Der Unterschied zwischen den Anarchisten und den etwas zurückgebliebenen Mitstreitern derselben besteht in dieser Hinsicht hauptsächlich darin, daß die Letzteren sogenannte Opportunitätspolitik betreiben, während die Anarchisten eine solche Heuchelei verschmähen. So wenig dieselben betreffs ihrer Bestrebungen irgend etwas hinter dem Berge halten, so wenig verheimlichen sie die Mittel, welche sie zur Erreichung ihrer Ziele in Anwendung zu bringen für notwendig erachten. Sie sind keine Bluthunde, welche aus Lust an Mord, Brand der Revolution das Wort zu reden pflegen, sondern sie treiben revolutionäre Propaganda, weil sie wissen, daß noch niemals eine privilegierte Klasse auf friedlichem Wege gestürzt werden konnte, und weil sie fest überzeugt sind, daß die Bourgeoisie gleichfalls nur mittelst Gewalt wegzufegen ist.
Deren Gebaren gegenüber allem und jedem Streben des Proletariats beweist das zu Genüge. Und täuschen kann man dieselbe keineswegs. Was soll da noch das Versteckspielen nützen? Den Gegner stimmt man damit nicht milder, die Arbeiter aber demoralisiert man, indem man ihnen falsche Hoffnungen hinsichtlich der Wirkung von friedlichen und gesetzlichen Agitationen erweckt, denen eine Enttäuschung nach der anderen auf dem Fuße folgen muß.
Die Anarchisten halten es daher für absolut notwendig, das Proletariat stets und ständig darauf hinzuweisen, daß es einen Riesenkampf zu bestehen haben wird, ehe es an die Realisierung seiner Bestrebungen denken kann. Sie spornen zur Vorbereitung auf die soziale Revolution an und suchen mit allen Mitteln – durch Wort, Schrift oder Tat -, wie sie gerade da oder dort am zweckmäßigsten erscheinen mögen, die revolutionäre Entwicklung zu beschleunigen. Wer, der es ehrlich meint mit der Sache des Volkes, kann sie darob tadeln?
Was man immer heute noch sagen mag, so viel steht jetzt doch schon fest: das Heil der Menschheit, wie es die Zukunft bringen wird und muß, liegt im Kommunismus. Dieses System schließt logischer Weise jede Herr- und Knechtschaft aus und bedeutet mithin Anarchie. Der Weg zu diesem Ziele führt durch die soziale Revolution.
***
Daß uns Kapitalisten, Polizisten, Presse und Kanzelaffen, Mucker und Philister von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und mit allen ihren Kräften hassen – das können wir nur höchst begreiflich finden; und weil wir uns mit dieser sozialen, politischen und ‚himmlischen‘ Klerisei ohnehin das ganze Jahr herumschlagen, so brauchen wir hier in dieser Beziehung keine Extrapeitsche zu schwingen. Unnatürlich aber kommt es uns vor, daß wir auch innerhalb der Arbeiterbewegung auf Tritt und Schritt Feindseligkeiten begegnen, die oftmals von einer unglaublichen Bosheit, mitunter von vernageltem Fanatismus und in der Regel von mehr als bemitleidenswertem, geradezu verstocktem Unverstand getragen sind. Und weil der Kampf, welcher von dieser Seite aus gegen die Anarchisten geführt wird unnatürlich ist, so muß selbstverständlich auch mancher Widerspruch dabei zu Tage kommen, übrigens ein Umstand, der die weniger in Voreingenommenheit Befangenen unter den Zuhörern der ganzen anti-anarchistischen Sophisterei gegenüber zum Zweifel verleiten und mithin mehr oder weniger mit Sympathie für die Anarchisten beseelen dürfte.
So oft wir uns durch Wort und Schrift über den Anarchismus moderner, d.h. kommunistischer Art eingelassen haben, wurde uns zugerufen, das sei nicht Anarchismus, sondern Sozialismus. Zeigen wir wie wir bei jeder Gelegenheit getan, daß dieses ’sondern‘ die reinste Eselsbrücke für Sophisten sei, weil ja der Anarchismus nichts weiter ist als der Inbegriff eines herrschaftslosen sozialen Zustandes, wie er doch jedem wirklichem Sozialisten, der nach Freiheit und Gleichheit strebt, vor Augen schweben müsse, so wird dieses unser Argument einfach unterdrückt und die Behauptung aufgestellt, Anarchismus und Sozialismus seien einmal zwei unversöhnliche und strikte Gegensätze; deshalb müsse auch jeder Sozialist die Anarchisten auf das Schärfste bekämpfen. Ist da auch noch ein Funken von Logik vorhanden?
Andererseits wird uns heute nachgesagt, unsere Bestrebungen seien total reaktionärer Natur, weil wir dem Phantom eines kleinbürgerlichen Individualismus nachjagten, während man uns morgen zum Vorwurfmacht, wir gingen in unseren Bestrebungen ‚zu weit‘, Übergangsstufen in der gesellschaftlichen Entwicklung, seien nicht zu vermeiden usw. Wie wir nun das Kunststück fertig bringen sollen, einerseits der vorsintflutlichen Kleinbürgerei mit vollen Segeln zuzusteuern (theoretisch natürlich, da ja praktisch derartiges überhaupt ausgeschlossen wäre), und andererseits gleichzeitig solch‘ weitgehenden Zukunftsidealen nachzujagen, wie sie ein minder entwickelter Sozialist, wenn auch für wünschenswert, so doch für vorerst unrealisierbar hält – diesen Zwiespalt der Natur wünschten wir wahrhaftig gern einmal von irgend einem ‚wissenschaftlichen‘ Graf Oerindur uns erklären zu lassen.
Tatsächlich liegt nun die Sache so: Daß wir keine Kleinbürgerei treiben, das wissen unsere stiefbrüderlichen Widersacher ganz genau. Sie suchen lediglich ihren Anhängern das Gegenteil vorzulügen, und das ist jedenfalls kein rechtschaffendes Kampfmittel. Halten wir ihnen diese ihre – gelinde gesagt – Jesuiterei vor, so grinsen sie uns höhnisch an und deuten mit den Fingern auf- Benjamin Tucker (1). Sie tun das, obgleich sie wissen, daß dieser Mann ganz und gar außerhalb der modernen Klassenbewegung des Proletariats steht, daß derselbe weiter nichts ist, als ein verspätet erschienener Ideal-Manchestermann…
Zuweilen wird uns auch Kropotkin als ‚echter‘ Anarchist (im Gegensatz zu uns, die wir zur Abwechslung wieder einmal ‚unecht‘ sein sollen) vorgehalten, versteht sich mit der Voraussetzung, daß auch dieser Mann, gleich Tucker, nichts vom Kommunismus dem angeblichen Gegensatz des Anarchismus, wissen wolle. In dieser Beziehung scheint uns nun allerdings mehr Unwissenheit als Bosheit obwaltend zu sein, allein damit gestaltet sich die Situation für unsere Widersacher nicht besser. Denn wer so Ignorant ist nicht zu wissen, welcher An die Bestrebungen eines Mannes wie Kropotkin sind, und der gleichwohl das große Wort im Kampfe zwischen den Anarchisten und sonstigen Sozialisten führt, der gibt sich als dummdreist und muß beschulmeistert werden, wie sogleich geschehen soll.
Kropotkin ist nämlich nicht bloß ein Kommunist schlechthin, sondern geradezu der aller überschwänglichste Kommunist, welcher je existiert hat. Ihm ist es auch zuzuschreiben, daß in verschiedenen Ländern – so namentlich in Frankreich, Italien, Spanien und Belgien – die Anarchisten ihren kommunistischen Standpunkt ostentativ bei jeder Gelegenheit hervorgekehrt haben. Da ihm der Kommunismus die Hauptsache ist und daß er, gleich uns im Anarchismus nur ein notwendiges Ergänzungsmoment der kommunistischen Gesellschaftsauffassung erblickt, geht schon aus der Tatsache hervor, daß er bereits vor Jahren auf dem Anarchisten-Kongreß der Juraförderation, welcher in St. Imier tagte, den Antrag stellte, man möge den bestehenden Vorurteilen insofern ein Opfer bringen, als man sich künftighin nicht mehr Anarchisten, sondern ‚freiheitliche Kommunisten‘ benenne. Der Antrag fiel durch, ist aber doch wohl unzweifelhaft als Beweis dafür stehen geblieben, daß Kropotkin vor allem Kommunist ist.
Ja, von dem soeben erwähnten Kongreß ging auch die Anregung dazu aus, daß sich fortab alle Anarchisten, die Anspruch darauf machten, auf der Höhe ihrer Zeit und innerhalb der Kreise des revolutionären Proletariats zu stehen, kommunistische Anarchisten nannten. Kropotkin ist also – weit entfernt, in Opposition zu den kommunistischen Anarchisten zu stehen (die ja ’nicht Anarchisten sondern Sozialisten‘ sein sollen), geradezu als deren Vater anzusehen. So ist also die Stellung, welche unsere Gegner innerhalb der Arbeiterbewegung wider uns einnehmen, buchstäblich eine bodenlose, teils auf ganz direkten Lügen, teils auf Ignoranz beruhend, jedenfalls auf die Dauer nicht haltbar.
Unsere feindlichen Brüder sollten einmal ernstlich alle diese Dinge in Erwägung ziehen; und wenn sie, was ja nicht ausbleiben kann, nach ruhigem aber eingehenden Studium der Sachlage herausgefunden haben, daß wir in allen diesen Beziehungen recht haben, dann sollte sie kein falsches Schamgefühl bewegen, wider besseres Wissen am Althergebrachten festzuhalten. Sie sollten vielmehr bereit sein, vereint mit uns, frisch und froh in den Krieg zu ziehen wider Kirche, Staat und Börse, jene heilige Dreieinigkeit, welche entthront werden muß, wenn für Freiheit, Gleichheit und Brudersinn der Weg geebnet werden soll.
Stimme dir zu, dieser Text ist aber komplett zitiert und nicht von uns selber geschrieben …
Bitte schreibt mal in verständlicher Sprache. Nach 8 Stunden auf Arbeit habe ich keine Lust, 3 Zeilen lange, 8-fach verschachtelte Sätze verstehen zu müssen.