Wir teilen folgenden Aufruf:
Wir erinnern uns an den Winter 2014/15. Damals begann, von Dresden ausgehend, etwas, das in Deutschland jahrelang nicht denkbar war. Es gingen Hunderte, später Tausende unter rassistischen Parolen gemeinsam mit bekennenden Faschisten auf die Straßen Dresdens, Leipzigs, Karlsruhes. Diese rechte Bewegung war ein Motor des gesellschaftlichen Rechtsrucks der letzten Jahre. Uns, der antifaschistischen Bewegung, gelang es nicht dem angemessen zu begegnen, wir verfielen mancherorts in eine Schockstarre oder rieben uns, oft genug zahlenmäßig unterlegen, an Feuerwehraktionen auf. Hunderte Linke standen Tausenden Menschenfeinden gegenüber. Das gesellschaftliche und politische Klima wurde rauer, ein Trend der bis heute anhält.
Seit Januar marschieren nun in Kandel, einer Kleinstadt an der pfälzisch-badischen Grenze, Hunderte, zuletzt über Tausend Rechte, AfD‘ler bis hin zu Nazihools, auf. Ihnen gegenüber stehen bestenfalls einige Hundert engagierte Bürgerliche und einige Linke.
Hatte Pegida noch den Charakter einer eher diffusen rechten Bewegung mit einem zwar bedeutenden, wenn auch begrenzten Potential, haben wir es nun mit einer Aktionsform einer durchaus starken, verankerten und strategisch denkenden Rechten zu tun. Die AfD hat die rechte Initiative in Kandel übernommen und instrumentalisiert sie wohl als Projekt um die Vernetzung mit klassischen Faschisten und die Führung einer Bewegung auf der Straße zum einen auszutesten, zum anderen um diese auch voranzutreiben. Nicht umsonst hat Jürgen Elsäßer bei seiner strategischen Rede beim politischen Aschermittwoch der AfD, Kandel explizit als wichtiges Event genannt – neben Aufmärschen in Hamburg und Berlin. Nicht umsonst hat über Vizelandtagsfraktionschefin Christina Baum die Führungsriege der AfD Baden-Württemberg hier die Zügel in die Hand genommen. Nicht umsonst nimmt das „Frauenbündnis Kandel“ in seiner Mobilisierung Bezug auf das Hashtag „#120db“ der „Identitären Bewegung“ und toleriert die Aktivitäten von „Drittem Weg“, Nazihools und anderen Gestalten des äußersten rechten Rands.
Thematisch ist der Anlass und die Aufmachung der rechten Mobilisierung wie häufiger in den letzten Jahren ein heuchlerischer „Feminismus von Rechts“ – besser: einer Instrumentalisierung von Übergriffen an Frauen für weitere rassistische Hetze. Dieses für die Rechten unnatürliche Agitationsfeld birgt neben der Vereinnahmung eines fortschrittlichen Kampfes auch ein bedeutendes Potential für die Hetzer.
Kandel könnte der Ausgangspunkt einer deutschlandweiten rechten Mobilisierung werden. Zumindest ist es aber ein sehr fruchtbares Experimentierfeld für die Rechten. Deshalb ist die gesamte antifaschistische Bewegung jetzt in der Pflicht, hier mit allen Kräften und allen Mitteln zu intervenieren. Wenn uns Pegida eines gezeigt hat, dann, dass es fatal ist wenn wir uns angesichts von rechten Massenmobilisierungen als unfähig erweisen darauf angemessen zu reagieren. Noch ist die Situation in Kandel nicht aussichtslos. Ein Aufmarsch von tausend Rechten in einer 9000-EinwohnerInnenstadt – das ist gerade noch so eine Dimension die wir überblicken können und denen die Antifabewegung in Süddeutschland gewachsen ist, wenn sie will und entsprechend priorisiert. Der Aufmarsch am 3. März wird dabei wohl nur der Start einer notwendigen Arbeit gegen den rechten Spuk sein.
Darum: Kommt am 3. März nach Kandel, haltet euch auch danach auf dem Laufenden, werdet aktiv und lasst uns den Rechten schaden, wo es nur geht.
Bevor wir in drei Jahren zurückblicken und sagen: Da hätten wir mal besser…
Einen Eindruck von der Gemengelage liefert unter anderem dieser Text von der Antifaschistischen Aktion Südliche Weinstraße: Kandel – Wallfahrtsort der neuen Rechten?