ZEIT ONLINE: Wenn Antisemitismus so allgegenwärtig ist, sollte sich die momentane Debatte dann gar nicht allzu sehr auf Kollegah, Farid Bang und den Echo-Skandal konzentrieren?
Winter: Derzeit werden lediglich Fragmente der Texte kritisiert. Die sind zwar oftmals offensichtlich antisemitisch – aber viel wichtiger und interessanter ist doch das Weltbild, das Kollegah mit einem Song wie Apokalypse transportiert. Im dazugehörigen Video tritt das Böse in Gestalt der Banken als eine geradezu dämonische Kraft auf, gegen die eine heile Gemeinschaft Widerstand leisten muss. Das ist wie bei Herr der Ringe, nur dass das Böse hier als explizit jüdisch gezeichnet ist. Die pädagogische und öffentliche Auseinandersetzung sollte sich aber nicht einzelnen Sätzen widmen, sondern genau dieser politischen Fantasie. Kollegahs Stellungnahmen richten sich ja auch gegen die „Mainstream-Medien“, gegen die man sich auflehnen müsste. Lines wie „Körper definierter als Auschwitz-Insassen“ sind da nur die Spitze des Eisbergs.