Simone de Beauvoir ist (gestern) vor 112 Jahren geboren. Zeit sich mit ihrer Theorie auseinanderzusetzen.
Simone de Beauvoir lebte zwischen der ersten und zweiten Welle des Feminismus und zur Zeit des Nationalsozialismus. Sie schrieb unter anderem „Das andere Geschlecht“, ein Klassiker des Feminismus und auch heute noch ein Grundlagenwerk zur Geschlechterforschung. Bekannt aus diesem Werk ist vor allem ein Satz, falsch übersetzt und ohne Kontext lautet dieser „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht.“ Etwas ausführlicher und richtig: „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es. Keine biologische, psychische oder ökonomische Bestimmung legt die Gestalt fest, die der weibliche Mensch in der Gesellschaft annimmt. […] Nur die Vermittlung anderer kann ein Individuum zum Anderen machen.“ [Beauvoir, S. 334]
Zu Beginn, so die These, ist der Körper bloßes Instrument zur Erkundung der Welt: „Bis zum Alter von zwölf Jahren ist das kleine Mädchen ebenso kräftig wie seine Brüder, es zeigt die gleichen intellektuellen Fähigkeiten [… Und wenn es geschlechtlich spezifiziert erscheint, dann] weil fast von Anfang an andere in das Leben des Kindes eingreifen und weil seine Berufung ihm schon in den ersten Jahren unabweislich eingetrichtert werden.“ [Beauvoir, S. 335]
Entgegen Freud ist die Entdeckung des Penis durch das Mädchen nicht schon traumatisierend oder erzeugt einen Penisneid, ein Minderwertigkeitsgefühl. „[D]as kleine Mädchen neidet den Phallus nur als Symbol für die dem Jungen gewährten Privilegien.“ [Beauvoir, S .68; und Vgl. S. 344] Auch übt sie Kritik an Engels (Die Entstehung der Familie). Der Übergang vom Gemeinschaftssystem zum Privateigentum und warum der Mann die Verfügung über das Eigentum erlangt werde dort nicht erklärt. Es werde bloß die Habsucht des Mannes verwiesen. [Beauvoir, S. 80]
Vor allem aber leistet sie eine umfassende Analyse der Verhältnisse von Mädchen und Frauen, ihr Aufwachsen, die psycho-sozialen und ökonomischen Bedingungen, die ihr Leben bestimmen. Dabei liefert sie viele Beispiele und bleibt mit ihrer verständlichen Sprache und ihrer anschaulichen Beschreibung präzise.
Ihr Schluss ist, dass die Befreiung nur durch ökonomische Unabhängigkeit vom Mann und damit nur im Sozialismus möglich ist, da sonst Arbeit nur Ausbeutung darstellt. Das Wahlrecht und sittliche/rechtliche Freiheit sind für sie auch bedeutend, aber eben nicht alleine. [Beauvoir, S. 841 f] Eine Ökonomische Befreiung an sich reicht nicht aus, sondern auch ethische, gesellschaftliche, kulturelle Veränderung sind unerlässlich. Das ist laut ihr auch in der Sowjetunion nicht gegeben. [Beauvoir, S. 892 f]
Leseempfehlung: Das andere Geschlecht
[Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2016 Hamburg, 15. Auflage]
Via Rosa-Luxemburg-Stiftung:
„«Der Frau bleibt kein anderer Ausweg, als an ihrer Befreiung zu arbeiten. Diese Befreiung kann nur eine kollektive sein.»
Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Simone de Beauvoir wächst in einer bürgerlichen, katholischen Familie auf. Sie studiert Literatur an der Sorbonne und beginnt als Lehrerin zu arbeiten. In dieser Zeit lernt sie Jean-Paul Sartre kennen, mit dem sie eine lebenslange Beziehung verbinden wird.
Neben Sartre unterhält sie zahlreiche Beziehungen zu anderen Männern und Frauen. Beide bewegen sich in linken intellektuellen Kreisen in Paris und begründen gemeinsam die philosophische Strömung des Existenzialismus. Während der deutschen Besatzung ist Simone de Beauvoir in Widerstandsgruppen aktiv.
1943 veröffentlicht sie ihren ersten Roman, 1949 folgt ihr bekanntestes Buch, «Das andere Geschlecht». Diese materialistische [und psychoanalytische] Analyse der Lage der Frau gilt bis heute als ein Standardwerk der «zweiten Welle» des Feminismus. Simone de Beauvoir stirbt 1986 in Paris.“