Vom Dankesagen am 8. Mai

Am 8. Mai ist es üblich für viele Linke „Danke“ zu sagen: спасибо * Thanks * Merci * תודה * Danke * – Wofür eigentlich?

Der deutsche Imperialismus hatte 1939 mit Unterstützung großer Teile des Volkes das ambitionierte Ziel, sich die Welt Untertan zu machen. Bereits zuvor waren Gewerkschafter, Kommunisten und andere Volkszersetzer in Konzentrationslagern entsorgt worden. Juden und andere „Volksschädlinge“ wurden vor allem ab ’39 und dann nochmal verstärkt ab ’42 deportiert und ermordert.

Die Ermoderung der Volkszersetzer und -schädlinge brachte keinen Bomber Harris und auch keine Rote Armee nach Berlin. Stalin deportierte bis zum Einmarsch der Wehrmacht in die UDSSR deutsche Kommunisten ins Dritte Reich, um sich mit dem Führer gutzustellen und der westliche Imperialismus hatte bei den Olympischen Spielen ’36 in Deutschland nicht das letzte Stell-dich-ein des Who-is-Who der internationalen Chefs und Präsidenten.

Die USA hatten nie ein Problem, mit faschistischen Regimes zusammenzuarbeiten. Das kann man als schwerwiegenden Fehler der US-Außenpolitik bezeichnen oder umgekehrt den Schluss ziehen, dass es im Zweiten Weltkrieg nicht darum ging „die Deutschen“ vom Faschismus zu „befreien“ – den sie immerhin gar nicht loswerden wollten. GB hat man eine Appeasement-Politik nachgesagt, von der erst dann abgelassen wurde, als sich die deutschen Großmachtpläne praktisch zu manifestieren drohten, also außenpolitisch zur wirklichen Konkurrenz wurden. Dann wurde bei der Bekämpfung des Naziregimes natürlich zugleich berücksichtigt, dass daraus keine Stärkung des Kommunismus hervorging. Der Kollateralnutzen des Zweiten Weltkrieges, der für viele unbestritten einen Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachte, sollte also politisch nicht überbewertet und zum eigentlichen Zweck des militärischen Eingriffs verklärt werden. Es geht nicht darum, dass man es bedauert, dass Deutschland den Krieg nicht gewonnen hat, sondern darum, dass das innere Staatsprogramm des Faschismus kein Grund für die Einmischung war.

Bekämpft wurde Deutschland von der Roten Armee, weil es die Sowjetunion angriff. Bekämpft wurden die Achsenmächte von den USA, weil Japan die USA angriff. Bekämpft wurde Deutschland, weil es Frankreich angriff. 6 Millionen Juden zu vergasen und Kommunisten aufzuhängen zählt nicht zu den Kriegseintrittsgründen westlicher Nationen. Als mit deutscher und italienischer Unterstützung die Antifaschisten in Spanien dahingeschlachtet wurden, schwiegen die westlichen Imperialisten und Russland sah seine Interessen gefährdet durch eine Revolution in Spanien – wieso die Hilfe gering ausfiel.

Danke also an die USA, dass sie Soldaten zum Sterben nach Europa geschickt hat? Danke an die Sowejtunion, dass sie solange den Faschismus gelduldet hat, bis er ihrem Staatsprogramm zu ungemütlich wurde und dann Millionen Sowjetsoldaten im Krieg dafür bluten mussten? Das Ende von Auschwitz und Bergen-Belsen war nicht der Grund, warum GIs an der Küste von Frankreich gelandet sind. Die Soldaten, die für Stalin das Menschenmaterial abgaben, wussten nicht was in Treblinka passierte als sie dort eintrafen.

„Danke“ soll gesagt sein; an wen? An die Soldaten der Roten Armee, die mit 17 Jahren für die Verteidigung des Vaterlandes in Stalingrad ums Leben kamen? Ein „Danke“ an all die Rotgardisten erscheint zynisch – nicht zuletzt deshalb, weil sie überhaupt keine Wahl hatten, wollten sie nicht als Deserteure an die Wand gestellt werden. Der amerikanische Soldat, der als Krüppel aus der Normandie zurückkam, mag sich selbst nach ’45 eingeredet haben, er habe sein Bein verloren, damit Auschwitz befreit wurde. Verloren hat er es indes, weil er amerikanische Interessen vertreten hat.

Dass Deutschland am 8. Mai 1945 kapituliert hat ist kein Grund zum Feiern. Die Nation überlebte und zwei neue Staaten wurden gegründet – weil keiner der Siegermächte gegen diese Übel gekämpft hat. 2014 sind deutsche Soldaten weiter in der Welt verteilt als der Großvater je kam. Da ist klar, warum selbst eine Kanzlerin an diesem 8. Mai ein „Danke“ sagen kann. Und so feiern die heutigen Freunde der deutschen Nation natürlich den „Tag der Befreiung“ mit ihrer Kanzlerin und meinen damit ihre ganz eigene Variante der Befreiung: Nicht die der KZ Insassen aus ihrer Haft, sondern die Befreiung „Deutschlands“ vom Faschismus.