Eigentlich, sagt Jakob Egger, würde er viel lieber über Kunst sprechen. Doch es brauche nur ein Fahrradunfall zu passieren, und schon stehe man auf der Bühne und denke über etwas ganz anderes nach: über die Kosten dafür, über das fehlende Geld. Egger, Jahrgang 1990, ist seit dieser Spielzeit Schauspieler am Theater Ulm, in dem just die baden-württembergischen Theatertage gastieren, inklusive der Mitgliederversammlung des Bühnenvereins – und auch da ging es um Geld. Denn zwar liebt jemand wie Egger seinen Job: „Ich will das jeden Abend wieder machen, ich bin überhaupt nicht frustriert.“ Aber der Blick auf den Gehaltszettel frustriert doch: Als Berufsanfänger mit abgeschlossenem Studium verdient Egger 1850 Euro. Brutto. Davon bleiben etwa 1200 Euro.
Der Künstler will kein Mitleid, nur etwas Gerechtigkeit wenigstens innerhalb des Hauses. Ein ausgebildeter Techniker am Theater verdient laut Personalvertretung der Stadt Ulm als Berufsanfänger im Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst circa 2200 Euro brutto pro Monat. Für Sonn- und Feiertagsdienste bekommt der Techniker Zulagen – der Schauspieler nicht. Für ihn gilt der Normalvertrag Bühne (NV), und der legt nur besagte Mindestgage von 1850 Euro für Solomitglieder wie Schauspieler, Dramaturgen oder Regieassistenten fest. Alles darüber hinaus ist frei verhandelbar.
Wie man davon in Ulm, Stuttgart oder gar München leben soll? „Die Frage darf man sich als Haus gar nicht stellen, auch wenn das brutal klingt“, sagt Angela Weißhardt, Verwaltungsdirektorin des Theaters Ulm. Zahlen will sie nicht nennen, aber „dass wir nicht das dickste aller Budgets haben, ist klar, und dass wir in der Folge nicht die höchsten Gehälter zahlen, auch.“ Doch natürlich ist Weißhardt nicht entgangen, dass die Diskussion hochkocht, nicht nur am eigenen Theater.
1850 Euro: „nicht angemessen“
Initiativen wie das Ensemble Netzwerk kämpfen um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. „Für Leute, die studiert haben, sind 1850 Euro nicht angemessen“, sagt auch Jörg Löwer, Präsident der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Die Bühnengenossenschaft fordere, den Mindestsatz auf jene 2527 Euro anzuheben, die die Gagentabelle für Kollektive, etwa für Chorsänger, als niedrigsten Betrag vorsieht. Außerdem fordert die GDBA eine Dynamisierung der Mindestgage, so dass sie durch Tarifanpassung automatisch steigen würde.
Reich werden die wenigsten. Im Schnitt verdient ein Schauspieler an einer öffentlich geförderten Bühne laut Löwer 2700 Euro brutto. Zu Arbeitsbedingungen, die oft auf Selbstausbeutung hinauslaufen, kommen Härten, etwa für schwangere Schauspielerinnen. Werde ein Vertrag „aus künstlerischen Gründen“ nicht über die Spielzeit hinaus verlängert, könne eine Frau hochschwanger erfahren, dass sie auf der Straße steht, sagt Löwer. „Wir möchten, dass die Nichtverlängerung bei Schwangeren ausgesetzt wird.“ Was die Gagen angeht, sieht es gut aus, sagt Ulrich von Kirchbach vom baden-württembergischen Landesverband des Bühnenvereins. Von Kirchbach sieht Bewegung bei den Tarifverhandlungen über die Mindestgage: „Da könnte sich zumindest mal eine Zwei davorstellen.“
Eine Überlegung sei, das Mindestgehalt auf die ersten zwei Berufsjahre einzuschränken. Doch er gibt zu bedenken: „Das Ganze muss refinanziert werden.“ Baden-Württemberg stehe gut da, weil Tariferhöhungen in den vergangenen Jahren vom Land ausgeglichen worden seien, das sei aber nicht überall so. Es brauche einen „guten Mittelweg“: „Sonst haben wir das Problem, dass am Ende des Wegs weniger Theater stehen und der Druck noch größer wird.“
2300 Euro in Heilbronn
Eine Angst, die nicht jeder teilt. Das Theater Heilbronn hat die Mindestgage für die künstlerisch Beschäftigten zum 1. Juni auf 2300 Euro erhöht. Einen konkreten Anlass habe es nicht gegeben, sagt Intendant Axel Vornam, „aber es ist niemandem zu erklären, wieso ein Hochschulabsolvent mit 1850 Euro nach Hause gehen soll.“ Sein Theater sei in der Lage, höhere Gehälter zu zahlen: 30.000 Euro zusätzlich koste Heilbronn die Anhebung. „Das ist von vielen Theater leistbar, insbesondere in Baden-Württemberg.“
Der Text ist von der >Südwest Presse<