Bericht Soli-Kundgebung für den Danni

 

Am 25.11. haben wir mit mehreren anderen Gruppen eine Soli-Kundgebung für den Dannenröder Forst veranstaltet. Es kamen etwa 100 Menschen. Auch das Thema des achtspurigen Ausbau der Adenauer Brücke lokal hier in Ulm wurde angeschnitten. Eine erste Position dazu haben wir in dem gemeinsamen Text mit der Grünen Jugend, Young and Queer und der Linken Ulm veröffentlicht.

Hier ein paar Eindrücke der Kundgebung und unsere Redebeiträge.

Redebeitrag I – Kollektiv.26

Dass wir inmitten einer globalen, menschengemachten Klimakrise die Zerstörung eines nachhaltig bewirtschafteten Mischwaldes zulassen, ist nicht nur komplett absurd, sondern auch unfassbar grausam. 
Somit habe ich kurzerhand beschlossen, selbst an den Dannenröder Forst zu fahren. Als ich dort ankam, hing dort am Eingang ein riesiges Transparent, auf dem stand „Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“.
Jeden Tag um 5 Uhr morgens beginnt die Besetzung der Bäume durch die Waldschützenden. Kurz nach Sonnenaufgang fahren dann mehrere hundert Polizist*innen vor, bereit, bei der Vernichtung der Natur zu unterstützen.
Während den Aktivist*innen auf den Bäumen trotz 5 Paar Hosen und mehreren Wärmedecken immer kälter wird, müssen sie dabei zuschauen, wie schrittweise ein intaktes Ökosystem für den Bau einer Autobahn gerodet wird. Wie dünne Streichhölzer werden die mehrere Hundert Jahre alten Bäume und mühsam erbaute Barrikaden durch die Harvester umgeknickt.
Mit ihnen die liebevoll erbauten Baumhäuser, das Zuhause von Waldbewohnenden und ein kleines bisschen auch die Hoffnung auf eine klimagerechte Welt.

Dass unsere Klimapolitik nicht so weitergehen kann, ist schon lange bekannt. Diese Einsicht treibt Besetzende an, solidarisch durch zivilen Ungehorsam ein in sich selbst widersprüchliche System in Frage zu stellen.
Statt dafür Anerkennung zu erhalten, dass sie durch ihren kräftezehrenden Einsatz die Lebensgrundlage von Mensch und Nicht-Mensch zu verteidigen versuchen, sind sie Todesangst ausgesetzt.
Durch rücksichtsloses Verhalten seitens der Polizei kam es schon mehrmals zu lebensgefährlichen Situationen. Am Sonntagmorgen, den 15.11. zerschneidet ein Beamter ein Stahlseil auf Kopfhöhe, woraufhin eine Aktivistin 5m in die Tiefe stürzt und schwer verletzt ins Krankenhaus kommt. Mittlerweile befindet sich der Mensch außer Lebensgefahr – und eine Ermittlung wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Polizisten ist am Laufen. 
Nur einen einzigen Tag später kam es erneut zu einem Vorfall: Obwohl mehrere Menschen Forstarbeitenden zuriefen, dass sich jemand zwischen zwei Bäumen an einem Seil befinde, wird ein Baum gefällt. Daraufhin fällt dessen Krone in die Traverse und der Waldschützende erlebt einen Pendelsturz über mehrere Meter. Normalerweise hätte dies einen Bodensturz bedeutet, der einzige Grund, warum es nicht dazu kam, war, dass sich der Aktivist doppelt gesichert hatte. Trotzdem kann auch allein ein derartiger Pendelsturz zu einer Querschnittslähmung, schwerwiegenden inneren Blutungen und schlussendlich zum Tod führen.

Wie kann es sein, dass bei einer Räumung, bei welcher, ich zitiere die hessische Polizei, „die Sicherheit der Menschen an oberster Stelle“ steht, es zu derartigen Vorfällen kommt? Jeden Tag werden immer mehr sicherheitsrelevante Strukturen zerschnitten, während sich Menschen darauf befinden. Dass durch dieses fahrlässige Handeln bisher hierdurch niemand gestorben ist, spiegelt mehr Glück wieder, als eine sichere Räumung. 

Besetzende haben sogar bereits in einem Brief grundsätzliche Baustrukturen zu ihren Baumhausdörfern offengelegt, in welchem beschrieben wird, wo sich Sicherheitsseile befinden. Normalerweise wäre es absolut kontraproduktiv, solche Details offenzulegen, da sie streng genommen eine schnellere Rodung ermöglichen. Scheinbar haben aber Klimaschützende mittlerweile das Vertrauen darin verloren, dass bei der Räumung körperlichen Unversehrtheit gewährleistet wird.
 
Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, wenn Menschen, die die Lebensgrundlage auf diesem Planeten zu retten versuchen, auf Basis veralteter und lückenhafter Verträge mit Unterstützung der schwarz-grünen Landesregierung unter Einsatz von Elektrotasern mit einer abgegebenen Spannung von bis zu 50.000Volt in 25m Höhe von den Bäumen gezogen werden?
Wie viel physischer und psychischer Schaden ist nötig, bis diese Rodung gestoppt wird?

Es geht bei der Besetzung um die Verteidigung und den Aufbau einer Welt, die den bevorstehenden ökologischen kollaps überleben kann.
Liegen die Prioritäten bei Profitstreben und einem kapitalistischen Wirtschaftssystem oder nicht viel eher bei den Bedürfnissen aller Lebewesen und ökologischer Kreisläufe?

In meinen Augen sollte Klimaaktivismus im Sinne aller Menschen kein Verbrechen sein. In diesem Kontext möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass in genau diesem Moment seit Ende Oktober 7 Umweltaktivist*innen in der JVA Frankfurt inhaftiert sind, nachdem sie sich im solidarischen Protest an einer Autobahnbrücken abgeseilt haben. Begründet wird die Inhaftierung mit Fluchtgefahr. Alle sieben Gefangenen sind isoliert und müssen bis zu 23h am Tag alleine verbringen. Zudem berichtet die Rote Hilfe, dass die Gefangenen alle ein- bis eineinhalb Stunden nachts durch anleuchten geweckt werden, aufgrund einer angeblichen Suizidgefahr. 
 
Wir befinden uns im Jahr 2020, laut dem EU-Klimawandeldienst haben alleine dieser Januar, Mai und September globale Hitzerekorde aufgestellt. Währenddessen kämpft die Politik gegen die Menschen, die im Sinne meiner, deiner und eurer Zukunft versuchen, den Dannenröder Wald im Ganzen zu schützen.
Es wird im medialen Diskurs von Realitätsverlust der AktivistInnen gesprochen. Aber so, wie wir jetzt Leben geht es nicht mehr lang weiter.
Diese bloße Tatsache macht den Wunsch nach einem radikalen Systemnwandel nicht realitätsfern, sondern  ganz im Gegengeil wirklichkeitsnah.

Es liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, dem Widerstand nachzukommen. Jeder einzelne kann gemäß seiner Möglichkeiten im Großen wie im Kleinen aktiv werden, angefangen beim Unterschreiben von Petitionen, Sach- und Geldspenden, Briefe an die Waldschützenden schicken, anderen Leuten davon erzählen oder auch selbst vor Ort mithelfen. Denn wie die Besetzenden richtig erfasst haben „Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“

Redebeitrag II – Young and Queer Ulm

Hallo, ich bin Julia von Young and Queer Ulm. Young and Queer kann heute leider nicht vor Ort dabei sein, dennoch möchten auch wir uns mit den Aktivist*innen im Dannenröder Forst solidarisch erklären. Umwelt- und Queeraktivismus sind nicht unbedingt getrennte Bereiche und wir von Young & Queer setzen uns dementsprechend auch für Umweltthemen ein, besonders im Angesicht der immer weiter voranschreitenden globalen Klimakrise.

Diese sorgt bereits jetzt für spürbar mehr Naturkatastrophen, zwingt Menschen zur Flucht und sorgt für ein stark beschleunigtes Artensterben. Dass uns nur noch wenig Zeit bleibt und wir jetzt sofort radikale Maßnahmen ergreifen müssen, um die Klimakrise zu stoppen, sollte auch den meisten Politiker*innen klar sein. Warum eine schwarz-grüne Regierung dieses Projekt genehmigt hat, und damit nicht nur zulässt, dass 100 Hektar Wald zerstört werden, sondern auch die dringend nötige Verkehrswende nur weiter aufhält und verlangsamt, ist für uns unverständlich.

Der Erhalt des Dannenröder Forsts ist in Zeiten der Klimakrise nicht nur für die Menschen vor Ort wichtig, deren Trinkwasserversorgung durch die Autobahn gefährdet wird, oder für die vielen Tiere und Pflanzen, denen er einen Lebensraum bietet, sondern für uns alle. Denn die Klimakrise wird uns alle treffen. Wenn wir den Schaden noch begrenzen wollen und das in Gang setzen unaufhaltbarer Rückkopplungseffekte vermeiden wollen, müssen wir jetzt sofort ernsthafte Maßnahmen ergreifen, um unsere Treibhausgas-emissionen zu reduzieren. Eine neue Autobahn zu bauen, obwohl dies erwiesenermaßen dazu führt, dass mehr Auto gefahren wird und es mehr Verkehr gibt, ist das genaue Gegenteil davon.

Vor zwei Monaten war ich selbst im Dannenröder Forst, und auch wenn ich nur für sehr kurze Zeit dort sein konnte, hat es viel in mir ausgelöst. Zum einen Begeisterung darüber, wie viele Menschen dort waren, um sich für den Erhalt des Dannenröder Forsts einzusetzen. Ob beim Waldspaziergang, auf der Mahnwache vor dem Wald oder im Wald selbst. Bewunderung und Dankbarkeit für all die Aktivist*innen, die sich seit Jahren für den Dannenröder Forst einsetzen und seit über einem Jahr einen Teil davon besetzen und so bereits einmal eine Rodung verhindern konnten. Auch vor zwei Monaten rechneten bereits alle damit, dass die Räumung jederzeit beginnen könnte. So empfand ich auch viel Traurigkeit und Wut beim Anblick der ganzen Bäume, die bereits für die Rodung markiert waren. Vor allem aber hat es mich berührt, was für einen Ort die Aktivist*innen im Dannenröder Forst geschaffen hatten. Überall wurde deutlich, dass Menschen hier solidarisch miteinander leben und sich Mühe geben, einen rücksichtsvollen, diskriminierungsarmen und inklusiven Raum zu schaffen, im dem sich jeder wohl fühlen kann. Es gab klar gekennzeichnete Rückzugsorte für weibliche und queere Personen, und Pinnwände mit Informationen und Anregungen um Themen wie Sexismus, Rassismus und andere Diskriminierungsformen, die in unserer jetzigen Gesellschaft immer noch sehr präsent sind, zu reflektieren. Dadurch wurde für mich noch einmal deutlicher, wie wichtig es ist, den Kampf gegen die Ausbeutung der Natur mit anderen Kämpfen für soziale Gerechtigkeit zusammen zu denken.

In unserem aktuellen patriarchalen, kapitalistischen Wirtschaftssystem werden nicht nur die natürlichen Ressourcen unserer Erde ausgebeutet, sondern auch Menschen, besonders im globalen Süden und marginalisierte Gruppen. Um diese Ausbeutung und damit auch die Klimakrise zu stoppen, brauchen wir deshalb einen Systemwandel und Solidarität. Viele queere Menschen erfahren in unserer Gesellschaft Diskriminierung und Ausgrenzung. Das Hinterfragen von gesellschaftlichen heteronormativen und auch kapitalistischen Normen ist für viele von uns deshalb nichts neues. Und es sind die gleichen Normen, die gleiche Idee von Dominanz gegenüber anderen Menschen und der Natur, die auch zur Ausbeutung und Zerstörung eben dieser führen. Wie die Aktivist*innen im Dannenröder Forst wollen wir uns deshalb für eine Abschaffung dieser ausgrenzenden und ausbeuterischen Normen in unserer Gesellschaft und unserem Wirtschaftssystem einsetzen. Dabei ist der Kampf um den Erhalt des Dannenröder Forsts sehr wichtig, da dieses Projekt deutlich zeigt, dass unser aktuelles System oft Entscheidungen hervorbringt, die nicht für den Erhalt unserer Lebensgrundlage am besten wären, sondern für die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen wie der Automobilindustrie. Das muss sich ändern! Solidarität mit Aktivist*innen im Dannenröder Forst und überall!“ #dannibleibt #dannenröderforst

Redebeitrag III – Einzelperson

Es geht nicht nur um die A49.  Es geht nicht nur um den Danni. Es geht nicht nur um einen Wald. Nichtmal nur um eine klimagerechtere Welt.

Es geht um eine andere Art des Lebens. Des Umgangs von Mensch mit Natur, von Mensch mit Mensch. Es geht um andere Konzepte des Zusammenlebens. Die Baumhausdörfer, die Barrios stehen für mehr als nur eine Verkehrswende. Sie stehen für queerfeministische, antispezistische, antifaschistische, antikapitalistische, hierarchiefreie Ideen.

Und diesen Ideen wird dort der Atem geraubt, indem die Polizei mit schwerem Gerät die Aktivisti von den Bäumen reißt. Und ihnen ihr Zuhause zerstört. Die Gewalt des Staates ist dort allgegenwärtig. Aktivisti mit blauen Flecken, verdrehten Handgelenken, bis hin zu schwersten Verletzungen. Aber auch eine enorme psychologische Gewalt. Die Angst nicht mehr heil aus dieser Aktion herauszukommen, da irgendein Cop das Seil durchschneidet, an dem dein Leben hängt. Androhung von Gewalt, wenn mensch nicht freiwillig mitläuft. Erniedrigung, Schikanen, Repression. Und den Cops ist es scheißegal, dass sie dort mit Leben spielen. Dass sie dort nichts als Verwüstung hinterlassen, wo über Monate liebevoll eine Gemeinschaft aufgebaut wurde.

Es tut weh. Es tut weh, nachts im Schutze der Dunkelheit mit Tränen in den Augen nur noch Trümmer von den Strukturen vorzufinden, von denen mensch am Tage geräumt wurde.

Was bleibt ist Wut, verzweifelte Wut. Die nerven liegen blank.

Dabei ist der Danni eigentlich ein unvorstellbar schöner Ort. Wo Menschen sich zusammenfinden ihre Ideale zu verteidigen. Wo Ideen gelebt werden, für die mensch woanders höchstens belächelt wird. Wo Anwohner:innen und Aktivisti nebeneinander stehen. Wo Geschichten und Begegnungen entstehen, die für Leben bedeutsam sind.

Um diesen Ort zu bewahren, braucht es unbedingt Solidarität mit den Menschen dort. Mit den Aktivisti, mit den Anwohner:innen, all denen, die dort die Besetzung ermöglichen. Doch es braucht halt auch Menschen. Es braucht Material, es braucht Essen. Es braucht Kraft und es braucht Mut. Und was es vor allem braucht ist einen Rodungstopp.

Da helfen keine warmen Worte, keine Solidaritätsbekundungen oder leere Versprechungen. Da muss gehandelt werden. Denn die Möglichkeiten wären da, nur der Wille fehlt.

Und das macht mich wütend.

Denn Es geht nicht nur um die A49, nicht nur um den Danni. Es geht um unsere Zukunft und darum, wie wir leben wollen.