Wir teilen diesen Aufruf, denn dies ist der einzige Gegenprotest gegen eine rechtsextreme Mahnwache, und somit grundlegend unterstützenswert; wir werden vor Ort sein!
Wir möchten aber auch ausdrücken, dass wir mit dem Motto #wirsindmehr unsere Probleme haben. Dieses deutet zum einen an, dass eine Meinung richtiger wird, je mehr Menschen diese vertreten und das kann fatale Folgen für Minderheiten haben. Dazu kommt, dass dies andeutet, dass ein undurchsichtiges „wir“ auch in der Mehrzahl ist.
Antifaschist*innen sind seit Jahren immer öfter damit konfrontiert, dass rechte Demos steigende TeilnehmerInnenzahlen verzeichnen. Beispiele hierfür wären die PEGIDA Demos in Dresden, der rechte Aufmarsch in Kandel am 3.3. diesen Jahres oder die jüngsten Ereignisse in Chemnitz. Vor allem aber konsequenter Antifaschismus, für den wir einstehen, ist in der Minderheit. Nationalistische Politik ist nicht nur in Deutschland die Regel.
In einer Vielzahl der europäischen Länder gibt es Schritte in diese Richtung: Die geschlossenen Grenzen Orbans, die Wahl der FPÖ in Österreich, das erreichen der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich von Marine LePen, die Abweisung von Seenotrettungs-Schiffen durch die Italienische Regierung, die Liste könnte noch beliebig lang vorgesetzt werden.
Parallel nehmen die Repressionen gegen Antifaschist*innen zu, während der Staat weiterhin mit Nazis und anderen FaschistInnen kuschelt und es hier nur durch massiven gesellschaftlichen Druck überhaupt zu Verfolgung von Straftaten wie das Zeigen des Hitlergrußes kommt. Ebenfalls scheiterten die staatlichen Verfolgungsbehörden kläglich an der Aufarbeitung des Nationalsozialistischen Untergrunds, seines Umfelds und der Verstrickungen von Behörden in die Mordserie. Des Weiteren gab es allein den letzten Monaten mehrere handfeste Skandale um Mitarbeitende von Polizei, Justiz und Verfassungsschmutz
Wir werfen dem #Wirsindmehr Motto vor, nicht konsequent genug zu sein.
Wir sehen auch die positiven Aspekte von Großveranstaltungen, es werden Spenden gesammelt, eine große Öffentlichkeit erreicht und ein Zeichen gesetzt. Es ist niedrigschwelliger und breiter aufgestellt als zum Beispiel Gegendemonstrationen, um mehr Menschen zu erreichen. Andererseits reicht es wie besonders am Beispiel Chemnitz zu sehen ist, nicht allein eine Groß-Veranstaltung zu besuchen. Antifaschismus muss Teil unseres Alltags werden. Die Gegenproteste haben nach dem Konzert nicht zugenommen, sie sind sogar zum Teil eingestellt worden, weil nur wenige Menschen sich beteiligten. Wir wollen für einen konsequenten Antifaschismus stehen, der gegen rechte Veranstaltungen protestiert, mit dem klaren Ziel sie in ihrer medialen und öffentlichen Wirksamkeit zu stören und zu verhindern.
Ein konsequenter Antifaschismus richtet sich nicht nur gegen faschistische und andere rechtsextreme Organisationen, sondern hat zum Ziel, diesen menschenfeindlichen Ideologien die Handlungsbasis zu entziehen und zielt deswegen auch auf die Überwindung von Staat und Kapitalismus ab.
Schaut man in die 20er und 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, stellt man fest, dass Antifaschismus auch in starken, klassenkämpferischen Charakter hatte. So kämpfte in Spanien die anarchosyndikalistische CNT gleichzeitig gegen den Franquismus und führte in den befreiten Gebieten eine antikapitalistische Form des Wirtschaftens ein – und das durchaus zumindest kurzfristig erfolgreich.
In Deutschland wurde 1932 die Antifaschistische Aktion durch die KPD gegründet und auch hier waren es vor allem Vertreter*innen der Arbeiter*innenbewegung, die gegen den aufkommenden Faschismus kämpften.
Wir führen diesen Kampf weiter und erweitern ihn um den Kampf gegen alle Unterdrückungsformen. Bei zeitgemäßer Antifa Arbeit ist in unserem Verständnis Queerfeminismus, Antikapitalismus und Antirassismus ein integraler Bestandteil des Kampfes.