Zehnfach verkehrt

Kürzlich schrieb der Inhaber des Lehrstuhls für ausländisches und europäisches Privat- und Verfahrensrecht an der Universität Leipzig, Thomas Rauscher, im Internet: „Wir schulden den Afrikanern und Arabern nichts. Sie haben ihre Kontinente durch Korruption, Schlendrian, ungehemmte Vermehrung und Stammes- und Religionskriege zerstört und nehmen uns nun weg, was wir mit Fleiß aufgebaut haben.“

Die Denkweise, von der diese Aussage zeugt, ist weitverbreitet. In den folgenden zehn Anmerkungen hierzu ist von „Afrika“, „armen“ und „reichen Ländern“ die Rede, was Generalisierungen sind, die nicht die Differenz zwischen den und innerhalb der einzelnen Staaten Afrikas widerspiegeln.

1
Individualisierung
Rauschers Einlassung ist eine Variante der Selbst-schuld-/Selbst-verdient-Hypothese. Nach ihr sind ökonomischer Erfolg und Misserfolg Resultat von Fähigkeiten und Anstrengungen der Individuen nach dem Muster: Jeder ist seines Glückes Schmied. Das Argumentationsmuster dient vor allem zur Erklärung wirtschaftlicher Missstände: Durch die sogenannte Flüchtlingskrise geraten die faulen Afrikaner ins Visier, während der Euro-Krise waren es die faulen Griechen. Es kann auch Inländer treffen: Als nach der Wiedervereinigung im Osten keine blühenden Landschaften entstanden, wurde auf die „faulen Ossis“ verwiesen. Als die Arbeitslosenzahlen in Deutschland stiegen, warnte Bundeskanzler Gerhard Schröder: „Es gibt kein Recht auf Faulheit“ und bereitete so ideologisch Agenda 2010 und Hartz-Reformen vor.

2
Rassismus
Die Selbst-schuld-Hypothese basiert auf einer Form von Rassismus: dem Leistungsrassismus. Denn sie erklärt die Ergebnisse der Konkurrenz um Einkommen mit Eigenschaften und Eigenarten von Individuen und Kollektiven: Faulen Griechen stehen tüchtige Deutsche, fleißige Chinesen und erfinderische Amerikaner gegenüber. „Während die Tüchtigen aufsteigen, werden in einer arbeitsorientierten Leistungsgesellschaft nach ‚unten‘ vor allem jene abgegeben, die weniger tüchtig, weniger robust oder ganz schlicht ein bisschen dümmer und fauler sind“, schrieb 2010 Thilo Sarrazin (SPD). Ein hohes Einkommen wiederum belegt in dieser Logik herausragende Eigenschaften wie Leistungsbereitschaft oder Talent. Diese Ansicht ist verbreitet: Beruflich erfolgreiche Menschen sind stolz auf das Erreichte, also auf sich. Andere wiederum schämen sich ihres beruflichen Misserfolgs, da er ihre Leistungsschwäche zu belegen scheint. Das ist sozial befriedend – wer sich selbst und anderen die Schuld gibt, hat am herrschenden System nichts auszusetzen.

Vollständiger Text auf: https://www.freitag.de/

Copyright und Copyleft: Eigentum, Urheberrecht und Wissensfreiheit

In Amerika wurde das Gesetz, welches die Netzneutralität erstellen/sichern sollte von Trump abgeschafft. Deswegen folgender Text:

„Geistiges Eigentum ist in unserer Gesellschaft ein sehr vehement verteidigtes Gut. Ideen werden ganz selbstverständlich mit dem*r Denker*in selbst verbunden.
Wir diskutieren über Ökonomie auf der Basis von dem Marxismus, analysieren Kunstwerke von Dali und kritisieren die Philosophie von Kant. Mindestens genauso heftig wie bei materiellem Eigentum verbinden wir Ideen mit einzelnen Personen und betrachten diese Ideen (fast) immer in diesem Kontext. Daraus resultiert gleichzeitig eine (schwache) Art von Personenkult im Bezug auf dessen geistigen Eigentums. Dies führt dazu, dass Autor*innen nach ihren Ideen beurteilt werden, oder die Werke werden auf Basis des Lebens des*r Autors*in verurteilt. Häufiges Ergebnis ist dabei, dass Ideen wegen dem*r Verfasser*in verworfen werden (oder andersrum).“

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Radikaler Veganismus

Eine libertäre Sicht auf die Gründe des Veganismus. Warum radikaler Veganismus?
Mainstream Vegan-Materialien werden oft nicht auf klassenbasierten Perspektiven geschrieben, sie bauen deren Argumente auf Wohlfahrt anstatt auf Solidarität auf, und bieten individualistische und konsumkritische anstelle von kollektiven Lösungen an. Diese Broschüren bieten häufig die individuelle Entscheidung als Ursache für die industrielle Ausbeutung der Tiere, anstatt die dahinter liegenden wirtschaftlichen und hierarchischen Strukturen zu verstehen und die Leute zu bemächtigen sich gegen diese zu organisieren. Es ist deswegen notwendig, die Ursachen von Ausbeutung aufzuzeigen und eine umfassende Strategie zu entwerfen, anhand welcher die Ursachen nachhaltig bekämpft werden können.

Veganismus von rechts
Dazu kommt, dass der Mainstream-Veganismus oft von Rechten unterwandert wurde und wird und mittlerweile auch für viele rechte Gruppen ein Aktions- und Agitationsfeld darstellt. Das liegt an mehreren Umständen:
Die meisten veganen Gruppen sehen sich und das Themenfeld als unpolitisch. (Warum das gefährlich und falsch ist, soll dieser Text aufzeigen.) Das führt dazu, dass rechte Ideologie nicht erkannt oder verharmlost wird und alles dem Ziel „Veganismus“ untergeordnet wird. Es findet in vielen Fällen keine Abgrenzung nach rechts statt, da ein abstraktes „Hauptsache viele“ als wichtiger angesehen wird, als eine klare Positionierung. Oft führte dieses Vorgehen zu Zusammenarbeit mit rechten oder rechtsoffenen Strukturen und machte es meist verdeckt rassistischen oder antisemitischen Gruppen erst möglich unter dem Deckmantel des Veganismus eine breite Öffentlichkeit zu erlangen.

Ein weiteres Problem ist Ausrichtung als Ein-Punkt-Bewegung, da so der Veganismus ohne Widersprüche auch von Nazis propagiert und übernommen werden kann. Das passiert momentan zum Beispiel durch den „3. Weg“ oder die „Identitäre Bewegung“. Sich für Tierrechte einzusetzen steht einer ideologischen Kontinuität zu Nazideutschland oder gar zu den Germanen (so argumentieren zumindest die Rechten) nicht im Weg. Hitler und einige weitere Führungskader lebten vegetarisch und die Germanen hatten wohl ein Tier als Gottheit. Unter den Nazis wurden einige Tierschutzbestimmungen erlassen, welche vor allem ein propagandistisches Mittel waren und Antisemitismus verbreiten sollten. So wurde das Schächten und Vivisektion als „jüdische Medizin“ dargestellt. Ihr Verbot schränkte gleichzeitig die religiösen Rechte von JüdInnen ein. Tierversuche zum Testen von Waffen waren jedoch uneingeschränkt möglich. Der Veganismus lässt sich also antisemitisch umdeuten, durch das Hinzufügen weiterer Bestandteile. Rechte Gruppierungen können sich auch beim vermeintlich hippen Veganismus bedienen und sich für diesen einsetzen, um neue Mitglieder zu bekommen. Das Thema stellt dann einen Türöffner dar, welcher Leute auf einer vermeintlich unverfänglichen Ebene anspricht und den Strukturen das Erreichen von neuen Leuten erleichtert.

Oft wird das dann mit der Parole „Umweltschutz ist Heimatschutz“ verbunden. Hinter dieser verbirgt sich eine Überhöhung von Heimat und eine Blut-und- Boden-Ideologie, also der angeblichen Einheit des rassistisch definierten Volkskörpers mit seinem Siedlungsgebiet. Ein unpolitischer Veganismus ist also problematisch, da er mit rechten Ideen verbunden werden kann und für diese werben kann.

Deswegen muss ein Veganismus mindestens auch antifaschistisch sein, um sich mit seiner Vergangenheit und Gegenwart kritisch auseinanderzusetzen und eine rechte Übernahme des Themas zu verhindern. Eine klare Abgrenzung nach rechts ist mehr als notwendig! Warum das aber nicht ausreicht, zeigen die nächsten Kapitel.

Kapitalismus und Tiere
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