Am 13.03 veranstalten die Ulmer Falken im Nachgang zum feministischen Kampftag am 08.03 eine Kundgebung auf dem Ulmer Marktplatz mit um die 50 Menschen.
Es gab mehrere, zum Teil spontane, Redebeiträge über die alltägliche Scheiße im Patriachat: Abtreibung, sexuelle Gewalt, Femizide, Täter und Täterschutz insbesondere in linken Kontexten und eigenen Erfahrungen. Aber auch zu aktuellen Debatten um intersektionalen Feminismus.
Einige davon könnt ihr hier nachlesen:
1. Redebeitrag der Falken
Liebe Männer, liebes Patriarchat,
euch haben wir zu verdanken, dass wir auch heute noch hier stehen und für unsere Rechte kämpfen. Durch euch, durch alles, was ihr tut, haben wir immer noch jeden Tag unseres Lebens einen Grund uns dagegenzustellen, laut zu sein und euch zu zeigen, dass wir die Schnauzevoll haben. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung stehen wir heute hier, in einerangeblichaufgeklärtenundgerechten Gesellschaft und ihr schafft es immer noch nicht, uns ernst zu nehmen. So, wie beispielsweise das Frauenwahlrecht vor 100 Jahren, nehmt ihr auch heute noch unsere Forderungen nach absoluter Gleichheit genauso wenig ernst, wie ihr unser Leid, unser Leben und unsere Erfahrungen ernst nehmt. Spricht eine Frau über die Gewalt, die ihr angetan wurde, dauert es nicht lange, bis ein Mann daherkommt und ruft „Nicht alle Männer“.
Ja, nicht alle Männer sind Sexisten und Täter, aber es sind genug, dass wir nachts Angsthaben, alleine nach Hause zu laufen; es sind genug, dass wirin der Discounter Getränk nicht unbeaufsichtigt lassen können; es sind genug, dass wir uns dreimal überlegen müssen was wir anziehen,bevor wir rausgehen. Alle drei bis fünf Minuten wird in Deutschland eine Frau oder ein Mädchen vergewaltigt. Jede siebte Frau wird in Deutschland Opfer einer Vergewaltigung. Jede zweite Frau erfährt mindestens eine weitere Form von sexualisierter Gewalt. Jeden Tag versucht der aktuelle oder ein Ex-Partner seine Partnerin umzubringen und jeden dritten Taghat er damit Erfolg.
Diese Zahlen sind Statistiken; es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer viel größer ist und ihr maßt euch an zu sagen, „Die Feministinnen übertreiben doch nur“ oder „Es gibt Wichtigeres, über das man reden sollte“. Wir haben es satt, dass uns nicht zugehört und nicht geglaubt wirdund dass wir uns für das, was uns angetan wird, rechtfertigen müssen.Das Problem sind nicht unsere Klamotten oder unser Aussehen; das Problem sind Männer,deren Machtposition von der Gesellschaft genährt wird und die deswegen denken,sie dürfen von unserem Körper gebrauch machen.
Aber wir existieren nicht für euch. Wir sind keine Objekte, die für eure Belustigung oder euer Vergnügen gemacht wurden und wir sind es leid, dass ein erschreckend großer Anteil immer noch in imaginären, festgefahrenen Rollenbildern denkt und auf Grund dessen eine gesellschaftliche Vormachtstellunggenießt.Es ist eine traurige Tatsache, dass jede Frau in ihrem Leben irgendeineArt der Unterdrückung erfährt und die Ausmaße dessen sind erschreckend. Abtreibungsverbote,fehlende körperliche Selbstbestimmung, Verfolgung von Aktivistinnen, Genitalverstümmelung, Mord und Diskriminierungvon Transfrauen,Menschenhandel und Zwangsprostitution sind nur einige Beispiele, für das unermessliche Leid, das Frauen und andere, als unterlegengeltende Geschlechter, tagtäglich, an jedem Ort dieser Welt erfahren müssen.
Es ist Zeit, für einen gesellschaftlichen Wandel, um diesem Elend ein Ende zu bereiten. Und auch ihr, liebe Männer, könnt euren Beitrag dazu leisten. Reflektiert euer Verhalten. Hört betroffenen Personen zu. Sprecht eure Freunde auf ihr sexistisches Verhalten an und schaltet euch ein, wenn ihr mitkriegt, dass eine Person belästigt wird. Hört auf Täter zu schützen und unser Leid herunterzuspielen. Es ist unser Kampf, den wir führen müssen, aber es ist auch eure Verantwortung die bisherigen Zustände zu verändern und euch solidarisch mit unserem Bestreben zu zeigen. Abschließen möchte ich mit den Worten Simone de Beauvoirs, einer französischen Philosophin und Feministin:
„Am Rande der Welt situiert zu sein, ist keine günstige Ausgangslage für einen, der vorhat, die Welt neu zu erschaffen.“
Und trotzdem –oder gerade deshalb –müssen wir heute und an jedem anderen Tag vereint, Seite an Seite für eine gerechte und bessere Welt kämpfen und der Unterdrückung ein Endebereiten!
2. Redebeitrag von Young and Queer
Hi, mein Name ist Julia, ich bin aktiv im Verein Young & Queer Ulm und erstmal freue ich mich riesig über diese Veranstaltung und Plattform hier zum feministischen Kampftag, der jährlich am 08. März stattfindet.
Zu Beginn möchte ich erstmal sehr positiv hervorheben, dass diese Veranstaltung hier nicht als Veranstaltung zum Weltfrauentag oder zum Frauen*tag oder zum Frauen*kampftag tituliert wurde, sondern als Veranstaltung zum feministischen Kampftag – und das ist auch richtig und wichtig so!
Feministische Kämpfe sind immer auch queere Kämpfe! Und es ist unabdingbar, dass sich das auch sprachlich niederschlägt. Beim feministischen Kampftag geht es unter anderem darum, Kämpfe gegen Mackertum, männliche Vorherrschaft und Sexismus in einem patriarchal-kapitalistischen Gesellschaftssystem sichtbar zu machen und sich gegen eben diesen strukturellen Bullshit aufzulehnen. Und das sind Kämpfe von allen, die von diesen gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien unterdrückt werden! Das sind auch Kämpfe von inter, trans* und nicht-binären Personen. Ich als trans* Person bin Teil dieses Kampfes und möchte nicht als Sternchen hinter dem Begriff „Frauen“ pseudo-mitgemeint sein. Der Begriff Frauen* ist problematisch, weil er 1) impliziert, dass trans* Frauen eben keine richtigen Frauen, sondern eben nur Frauen mit Stern seien und 2), weil er gleichermaßen nicht-binäre Personen, trans* Männer sowie intergeschlechtliche und queere Menschen exkludiert.
Auch dieses Jahr zum 8. März bin ich der Bezeichnung Frauen* in social media, in Aufrufen zu Demonstrationen, in vermeintlich progressiven Stellungnahmen vielfach begegnet und ich kann nicht viel mehr sagen, als dass es mich ankotzt. Es kotzt mich an, dass cisnormative Denkmuster an einem Tag wie diesem kollektiv reproduziert und vermarktet werden! Und deshalb fordere ich zusammen mit euch einen Feminismus als Standard, der queere Lebensrealitäten berücksichtigt und keinen Raum für Terfs, Swerfs und sonstige reaktionäre Strukturen bietet! Einen intersektionalen Feminismus, der weiße Privilegien sowie hetero- und cisnormative Machtpositionen hinterfragt und genau so auch hier in städtischen Vielfaltsdebatten praktiziert werden muss!
Auch ich als nicht-hetersoexuelle trans* Person habe Privilegien, die mich vor Diskriminierung und Anfeindung schützen. Ich bin weiß, bin in Deutschland geboren, habe die Möglichkeit zu studieren und passe zumindest äußerlich ganz gut in die sozial konstruierte Kategorie „Frau“ rein. Allein, dass ich hier stehen und reden kann, ist schon ein Privileg. Es ist wichtig anzuerkennen, dass andere Menschen weniger oder keines dieser Privilegien haben und dass sich Diskriminierungsformen überschneiden und multiplikativ zusammenwirken können. Daraus resultieren neue und schwerwiegende Diskriminierungs- und Ausschlusserfahrungen, die nicht unsichtbar gemacht werden dürfen. Es gibt Studien, die zeigen, dass queere People of colour noch häufiger an Depressionen erkranken als weiße queere Personen, die auch bereits ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen haben. Das zeigt deutlich, dass es nicht ausreicht, wenn wir uns in feministischen Kämpfen allein gegen Sexismus einsetzen – wir müssen gleichzeitig auch gegen Rassismus, Antisemitismus, Ableismus, Klassismus und jede andere Form von Diskriminierung kämpfen, weil sie sich alle gegenseitig beeinflussen und verstärken. Feminismus muss anti-kapitalistisch und intersektional sein! Es braucht flächendeckende Sensibilisierung zu allen -ismen – und zwar überall, wo Menschen zusammenkommen!
Zu guter Letzt ist es mir auch wichtig zu sagen, dass es hier keineswegs um cis Männer-bashing oder Schuldzuweisung gehen soll. Es geht darum, männliche Privilegien zu hinterfragen und zu erkennen, dass ein patriarchal-kapitalistisches und hetero- bzw. cisnormatives Gesellschaftssystem als Katalysator für toxische Männlichkeit wirkt und damit auch Männer in normative Ketten legt. In einer Gesellschaft, in der Männlichkeit mit Leistung und Emotionslosigkeit gleichgesetzt wird, ist eine freie Entfaltung der Persönlichkeit und des Menschseins (unabhängig von dieser ganzen Geschlechter-Scheiße) per se nicht möglich.
Dennoch ist das heute eine Rede und eine Veranstaltung, in der es nicht um cis Männer geht. Es geht um FLINTA* Personen und deren Kämpfe gegen mehrdimensionale Unterdrückungsmechanismen! Jeder Tag ist ein feministischer Kampftag!
Und deshalb möchte ich empowernd mit den Worten von der Schriftstellerin und feministischen Aktivistin Audre Lorde schließen:
Your silence will not protect you – dein Schweigen wird dicht nicht beschützen.
In diesem Sinne: Geht raus, seid laut und kämpft weiterhin intersektionale queerfeministische Kämpfe! Dankeschön!
3. Aufruf + Flyer der Falken