Adenauerbrücke: Wie versucht wird uns ein Betonklotz für Autos als nachhaltiges Verkehrsprojekt anzudrehen

Seit Herbst letzten Jahres ist die Debatte um den Neubau der Adenauerbrücke in Ulm lauter geworden. Die Bundesstraßen-Brücke ist marode und muss renoviert werden. Das Bauvorhaben wird als größtes Infrastrukturprojekt der Region in den nächsten Jahren bezeichnet.

Die Diskussion dreht sich um die Frage: Sechs Fahrspuren wie bisher? Oder acht Fahrspuren? Immer wieder zu beobachten ist, wie dabei bizzarste Scheinargumente für den achtspurigen Ausbau gebracht werden, um den Ausbau als nachhaltiges Projekt für Verkehr und Umwelt zu verkaufen.

Aber genau das ist es nunmal nicht.

Die Stadt Ulm von den an der Planung beteiligten Behörden betreiben seit Monaten eine PR Kampagne u.a. mit stundenlangen Videos. Es wird dabei immer wieder ein unehrliches Framing betrieben:

  1. Die Brücke ist marode, also muss sie repariert werden.
  2. Wenn wir sie schon reparieren, wollen wir ja alle die bestmögliche Option und Funktion.
  3. Die beste Option sind acht Spuren. Weil sie neue ÖPNV Möglichkeiten bietet, weniger Kosten verursacht, eine bessere Fuß- und Radweg sowie Verkehrslage ermöglichen soll.

Die dritte Aussage ist nicht mehr als eine Behauptung. Die Einzelargumente hören sich schön an, dienen aber nur dem Zweck die achtspurige Brücke als beste Option zu präsentieren, die sie nicht ist. 

Aber schauen wir uns mal die einzelnen Argumente an:

Argument 1: Mehr Spuren = neue Möglichkeiten für ÖPNV

Immer wieder wird betont, dass eine größere Brücke für den ÖPNV genutzt werden könnte. Es wird so getan, als ob ganze Spuren für Bus oder Straßenbahn genutzt werden könnten. Dies sind  alles nur theoretische Möglichkeiten, Anfragen im Landtag zeigen deutlich: Es ist weder eine ÖPNV Spur noch der Bau einer Straßenbahn vorgesehen.

Das Argument ist also nicht mehr als ein schön klingender Satz. Eine konkrete Umsetzung ist nicht geplant. Im Gegenteil es gibt Gutachten, die zeigen, dass eine Straßenbahn dort keinen Sinn ergibt.

Argument 2: Mehr Spuren = billiger

Besonders die Stadt Ulm argumentiert immer wieder ein achtspuriger Ausbau sei kostengünstiger, da der Bund dann den Schallschutz übernähme. Das ist ein offensichtlich Scheinargument. Natürlich wäre ein achtspuriger Ausbau teurer am Ende des Tages. Er bedeutet eine wesentlich größere Brücke, mehr Material, längere Bauzeit und so weiter.
Es geht hier lediglich darum wer, wieviel zahlt. Stadt, Land oder Bund.

Das mag für die Kommunen und Behörden relevant sein. Am Ende zahlen wir es alle aus unseren Steuern, egal was kommt. Und eine größere Brücke kostet mehr, was für eine Überraschung. 

Argument 3: Mehr Spuren = irgendwie bessere Geh- und Radwege

Auch immer wieder betont wird, wie Geh- und Radwege angelegt werden, die eine super nachhaltige Verbindung zwischen Ulm und Neu-Ulm bieten. Dabei gibt es schon keine 30 Meter von der Adenauer Brücke entfernt eine Fuß- und Fahrradbrücke.

Selbst wenn sie eine kleine Verbesserung bedeuten könnten, ist der Bau von Geh- und Radwegen unabhängig von der Frage sechs- oder achtspurig.

Im ursprünglichen Bau der Adenauerbrücke in den 50er Jahren war übrigens auch ein breiter Fuß- und Radweg angelegt. Der wurde 1972 in zwei weitere Autospuren umgewandelt.

Argument 4: Mehr Spuren = irgendwie bessere Verkehrslage?

Hier kursieren verschiedene teils wiedersprüchliche Aussagen. Auf der einen Seite wird gesagt, es soll nicht mehr Verkehr angezogen werden. Auf der anderen Seite werden irgendwelche Progonosen, die steigenden Verkehr anzeigen, ausgegraben. Dabei wird zugegeben, dass eigentlich sechs Spuren ausreichen:

„Die Frage ob sechs oder acht Streifen auf der Adenauer Brücke realisiert werden, hat nichts damit zu tun, ob zukünftige Verkehrsmengen aufgenommen werden können oder nicht. Auch sechs Spuren, das ist nachgewiesen, sind ausreichend leistungsfähig um den Verkehr, auch den zukünftigen Verkehr und prognostizierten Verkehr ausreichend leistungsfähig abzudecken.“

– Baubürgermeister von Winning am 03.03.21

All das ist irrelevant, wenn man sich die Pläne genauer anschaut. Denn ein achtspuriger Ausbau beeinflußt nicht direkt die Kapazität der Bundesstraße, sondern dient ausschließlich der Innenstädtischen Verbindung zwischen Ulm und Neu-Ulm. Es geht gar nicht um überregionalen Verkehr sondern lokalen. Und genau dieser Verkehr ist abschaffbar mit ÖPNV und Fahrradstrukturen.

Fazit – Ganz viel grüne Farbe um den Beton zu verstecken

Das ganze zeigt wunderbar, wie Politik mit Gesellschaft kommuniziert. Hier wird versucht ein Autoprojekt, das mental aus dem letzten Jahrhundert stammt, als nachhaltiges Verkehrsprojekt zu verkaufen. Es werden Wörter wie Klimaneutralität, Umweltschutz, Nachhaltigkeit rauf und runter gebetet. Aber völlig ohne Inhalt – kurz gesagt: greenwashing.

Das Bauprojekt würde dafür sorgen, dass 56 Bäume gefällt werden, in einer der wenigen innenstädtischen Parks den Ehinger Anlagen. Vor ein paar Monaten hieß es übrigens noch 13 Bäume, komisch. Es wird bis zu 26 Millionen Euro kosten. Es wird mehrere Jahre eine Großbaustelle sein und wir wissen ja wie zuverlässig Großbaustellen in diesem Land sind.

Mehrere Gruppen wie der BUND, die Critical Mass, Klimacamp oder Friday for Future sind seit Jahren in Ulm aktiv. Sie veranstalteten Klimacamps, Diskussionen und die größten Demonstrationen Ulms des letzten Jahrzehnts. Die Stadt und die Baubhörden zeigen mit ihrer Rethorik, dass sie mitbekommen hat, dass das Klima vielen wichtig ist. Doch mit ihrem unehrlichen Argumentationsmuster zeigt sie auch deutlich, was sie von dem Themenkomplex Klimaneutralität oder nachhaltigen Verkehr halten: Nichts.

Wir leben in einer Stadt, in der Samstags kostenloser ÖPNV eingeführt wurde, nur um mehr Umstätze in der Innenstadt zu erzielen und nicht um den Autoverkehr abzubauen.

Wir leben in einer Stadt, in der als erstes Fahrradwege und Obdachlosenprojekte vorgeschlagen werden, wenn darüber nachgedacht wird, was im Haushalt eingespart werden könnte.

Wir leben in einer Stadt, die sich grün und bunt anzumalen versucht, aber im Kern seit Jahrzehnten in der mentalen Einstellung des Namensgeber der Brücke verkrampft ist:

Wirtschaftswachstum und mehr Profite über alles. Im Zweifel auch auf Kosten unserer aller Zukunft.

„Wir halten die Straße noch für einen sehr langen Zeitraum, außer die Gesellschaft ändert sich sehr grundsätzlich, für sehr sehr relevant.“ – Baubürgermeister von Winning am 03.03.21

Dann wissen wir wohl, was wir alle zu tun haben…

“ Die Irreversiblilität der Veränderung ökologischer Systeme in ihrer Regenaration ist, glaube ich, einfach noch nicht begriffen worden.“

– Prof. Dr. Göpel