Ulm2703: Antifaschismus bleibt Handarbeit

Gestern protestierten über 200 [handgezählt] Menschen am Münsterplatz gegen Klardenken Schwaben, die eine Demonstration mit anschließender Kundgebung angemeldet hatten. Zwischen 800 bis 1000 [ebenfalls handgezählt] Querdenker:innen zogen mit hunderten Deutschlandflaggen vom Kongresszentrum über Olgastraße, Wengengasse und Hirschstraße zum Münsterplatz. Dabei wurden sie für etwa 25 bis 30 Minuten von einer antifaschistischen Blockade gestoppt, die sich an der Kreuzung Wengengasse/Hirschstraße Querdenken auf deren Route entgegenstellte.  Sie wurde gewaltsam von der Polizei geräumt. Dabei wurde eine Person so verletzt, sodass sie nicht mehr laufen konnte. Die beteiligten Antifaschist:innen wurden vor Ort abgefilmt und bekamen einen Platzverweis für die Ulmer Innenstadt. Während die Querdenken Demo (wieder mal) ohne Einhaltung von Auflagen wie Masken oder Abstand weiterlaufen durften. Am Münsterplatz wurden sie von der Gegendemonstration lautstark empfangen.

Wie schon im Dezember 2020 lies die Polizei Querdenken Teilnehmer:innen von Querdenken durch ihre Ketten zur angemeldeten Gegendemonstration. Darunter bundesweit bekannte und extrem rechte Medienaktivist:innen.

Resultat: Wir wurden massiv abgefilmt, belästigt und provoziert. Und was macht die Polizei, während auf dem Münsterplatz fröhlich eine Corona Party gefeiert wurde? Sie setzte Antifaschist:innen fest, da sie angeblich gegen das Vermummungsverbot verstoßen haben sollen. Nach Sonnenuntergang gab es symbolisch eine Hand voll von Festnahmen bekannter Querdenken Mitglieder, wie u.a. dem lokalen Verschwörungsideologen Daniel Langhans.

Am Abend waren nach unseren Kenntnisstand alle Gegendemo- und Blockadeteilnehmer:innen wieder auf freiem Fuß.

Insgesamt sehen wir den Tag trotzdem als Erfolg an. Es waren um die 250 Menschen an verschiedenen Aktionsformen gegen Querdenken beteiligt. Es gab die nach unserem Kenntnisstand erste antifaschistische Blockade in Ulm seit 2009. Die Rechten bei Querdenken konnten gestört werden und blieben nicht unwidersprochen.

Doch der Tag zeigt auch, es braucht mehr Unterstützung für linken Protest.

Dutzende Gruppen, Parteien und Gewerkschaften in Ulm, die wir seit Monaten immer wieder versuchen zu mobilisieren, ignorieren das Problem namens Querdenken einfach. Ihre Analyse extrem rechter Bewegungen ist offensichtlich vor Jahrzehnten eingefroren.

Gegendarstellung zu fehlerhafter Berichterstattung:

Die Lokalpresse und Polizeiberichte glänzte mal wieder mit mangelndem Fachwissen, z.T. Falschmeldungen und die Polizeimeldung mit parteiischer Falschdarstellung.

  • Es war u.a. die Sprache von 1500 Personen bei Querdenken. Das ist falsch, Wir haben nachgezählt:
Handgezählte 800 Personen, das Bild zeigt nicht die gesamte Versammlungsfläche deswegen bis zu 1000 Beteiligte im Bereich des möglichen
  • In mehreren Berichten von Presse und Polizei wurde der Eindruck erweckt, die Blockade wäre irgendwann einfach gegangen oder von Kommunikationsteams der Polizei nett weggeredet worden. In Wahrheit wurde sie plötzlich mit Schlägen, Tritten und Schieben zur Seite gedrängt. [3]
  • Von Beteiligten der Blockade gab es gegenüber der Polizei keine justiziablen Beleidigungen, entgegen der Behauptung in der Polzeimeldung. Wir sehen darin den Versuch irgendeine an den Haaren herbeigezogene Ausrede für Gewaltanwendung und womöglich Begründe für eine Kriminalisierung der Antifaschist:innen. Die Polizeimeldung ist (wie immer) nicht neutral und versucht die zeitweise deutlich überforderte Polizei als in Kontrolle darzustellen, das Gegenteilige war der Fall.
  • Ebenfalls wurde in einigen Berichten der Gegenprotest pauschal als Maßnahmenbefürwortend bezeichnet. Alle, die sich ansatzweis mit dem Aufruf, den Positionierungen der beteiligten Gruppen in den letzten 12 Monaten, sowie den Reden beim Gegenprotest ansatzweise beschäftigt haben wissen: Das ist schlichtweg falsch.

Wir sind noch nie auf die Straße gegangen um staatliche Maßnahmen zu verteidigen.

Wir sind auf die Straße gegangen, um der zunehmenden rechten Radikalisierung von Querdenken entgegen zu treten. Um das zu erkennnen reicht es den gestrigen Redebeiträgen von Querdenken zuzuhären. Außerde verweisen wir zum Beispiel darauf, dass der extrem rechte Markus Mössle (Ulmer Gemeinderatsmitglied, AfD) Ordner war und die drei verbliebenen Mitglieder der Identitären „Bewegung“ zeitweise die Demo anführten. [4]

Einige Hygieneregeln sind logisch und selbstverständlich, aber das von Chaos, Planlosigkeit und mangelnder wissenschaftlicher Grundlage geprägte Pandemie-Management kritisieren wir seit einem Jahr. Wir setzen uns für eine konsequente Bekämpfung der Pandemie ein, die nicht aus Rücksicht auf zentrale Wirtschaftszweigen auf dem Rücken von Millionen Menschen ausgetragen wird.

Die Demonstration wurde dabei überwiegend von der Grünen Jugend Ulm und uns organisiert und von weiteren Gruppen unterstützt. An dieser Stelle bedanken wir uns nochnal bei allen Beteiligten für die Unterstützung.

Falls Mensch in den nächsten Wochen oder Monaten Vorladungen oder andere Briefe von der Polizei bekommen, könnt ihr euch gerne bei uns melden. Da muss niemand allein durch.

Da offensichtlich viele unsere Redebeiträge nicht angehört hat gibt es sie hier nochmal zum Nachlesen ;)

Redebeitrag K.26:

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Seit April 2020 war in Ulm und an vielen anderen Orten immer wieder ein Spruch zu hören:

Frieden, Freiheit, Wahrheit!

Klingt erstmal super, wer will das nicht?
Doch was ist da dran, was verstehen diese Leute, die das rufen darunter?
Die, die das rufen, sind eine unübersichtliche Menge aus besorgten Eltern, Heilpraktiker:innen, Waldorfschulpädagog:innen, Esoteriker:innen, Impfgegner:innen, christliche Fundamentalist:innen, und nahezu jeder extrem rechten Gruppierung, die nennenswert aktiv ist in diesem Land. 
Seit Beginn der Maßnahmen, die das Leben einschränken protestieren sie und glauben sie wären eine große Bewegung. Sie posieren gerne als Freiheitskämpfer:innen, als Menschenrechtler:innen Friedensaktivist:innen, doch wo waren sie in all den Jahren?

  • Sie rufen Frieden, nicht weil sie deutsche und europäische Außen- und Rüstungspolitk kritisieren, gegen Bundeswehreinsätze sind, sondern weil sie es als unfriedlich empfinden ihr Leben in Zeiten einer Pandemie durch unangenehme Maßnahmen einzuschränken.
  • Sie rufen Freiheit, nicht weil sie gegen das Massengrab namens Mittelmeer, menschenverachtender Asylpolitik durch dreckige Deals, Massenunterkünften und Abschiebungen sind, sondern weil IHRE eigene Freiheit zu reisen, zum ersten Mal eingeschränkt wird.
  • Sie rufen Wahrheit, nicht weil sie eine ehrliche und faktische Debatte wollen, sondern weil sie einigen wenigen Verschwörungsideolog:innen jede Lüge nachplappern.

Es muss uns allen klar sein, dass hier ein bisschen miteinander reden nicht helfen wird. Oder wie wollt ihr Menschen überzeugen, die sich vollkommen jenseits einer faktischen Realität bewegen?

  • Gestern waren die Masken Müll weil sie Viren durchlassen, heute sind sie tötlich weil keine Luft durchkommt.
  • Gestern gab es gar kein Cornona, heute schon aber es ist nur eine Grippe.
  • Gestern töteten Impfungen, heute sind sie nicht effektiv genug.
  • Gestern war die Polizei der liebste Freund, heute ist sie der fiese Unterdrücker.
  • Gestern wurde sich erfolgreich durchs halbe Jusitzsystem geklagt, heute wird behauptet der Faschismus wäre da.

Dass die Menschen dort sich nicht um Abstände oder Masken scheren, ist schlimm. Aber unsere Kritik muss weitergehen. Dass ist keine Systemkritik, die dort geäußert wird. Es sind Falschmeldungen, Pandemieleugnungen, Geschichtsrevisionismus, Verschwörungserzählungen mit verdeckten Antisemitismus, die auf ihren Bühnen ständig wiederholt werden. Und es ist offener Hass auf Journalist:innen, Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und auch Antifaschist:innen, der bis hin zu körperlichen Übergriffen auf eben diese führt.
Sie sind vielmehr eine Abwandlung von PEGIDA und AfD mit Wütbürger:innen die sich völlig aus unserer Realität entkoppelt haben. Denn sie reden kaum von den Problemen, die viele durch die Pandemie haben.

  • Von den Menschen, die ungefragt und unbelohnt zu „Held:innen“ deklariert wurden aber weiter unter beschissenen Bedingungen für unsere Gesundheit schuften müssen.
  • Von Menschen die zu Hause nicht sicher sind, die vereinsamen und mit ihren Problemen alleine gelassen werden.
  • Von Menschen die in Massenunterkünften leben müssen, die in riesigen Fabriken arbeiten müssen oder Menschen die gar keine Wohnung für das Home Office haben.

Das schlimme ist: Diese Verschwörungs- und extrem rechten Ideologien werden bleiben, selbst wenn wir die Pandemie überwunden haben werden. Manche werden sich abwenden. Doch für die allermeisten hat sich gerade dadurch eine Tür geöffnet. Sie stecken schon so tief im Sumpf einer alternativen Realität, dass sie weitermachen werden. Sich neue Themen suchen werden.

Deshalb müssen wir hier stehen, trotz Pandemie. Und diesen lauten, aber wenigen Stimmen widersprechen.

Wir sagen nein, das vorher war auch schon scheiße.

Die Probleme der Pandemie sind nicht neu, nur stärker.


Sie fordern einfach nur: alle Maßnahmen weg, jetzt sofort. Alles so wie es vorher war. Zurück zu Ihrer Normalität 


Aber Ihre Normalität ist unser Albtraum.

PS: Falls Mensch in den nächsten Wochen oder Monaten Vorladungen oder andere Briefe von der Polizei bekommen, könnt ihr euch gerne bei uns melden. Da muss niemand allein durch.

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